Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
sich. »Was für eine Schande, dass du die alten Stollen entdeckt hast. Man stelle sich das vor: Ein Mädchen, damals noch ein Kind, entkommt unbemerkt aus Atala! Ich hätte nie gedacht, dass meine eigenen Leute so unfähig sein könnten. Wie kann man nur vergessen, den Zugang zu den Kerr-Inseln zu versiegeln, damit niemand hinaus- noch hereinkommen kann!«, rief er und funkelte Dex an.
»Das haben wir getan, Eure Hoheit«, entrüstete sich sein Untergebener. »Die alten Gänge liegen seit fünf Jahren unter einem Erdrutsch begraben, den wir ausgelöst haben. Keiner kann von hier entkommen.«
Tenan fielen die zerstörten Gänge ein, an denen sie auf der Pirateninsel vorbeigekommen waren. Es musste sich um Eilennas Fluchtweg von damals handeln.
»Ihr seid unfähig, jawohl!«, schimpfte der König der Fisk-Hai weiter. »Ihr habt die Gänge erst verschlossen, nachdem es zu spät und das Mädchen geflohen war!« Er schnaufte und wandte sich von Dex ab. »An alles muss man selber denken.«
»Ihr handelt zweifellos richtig, indem Ihr Atala schützen wollt«, sagte Eilenna. »Es ist ein Juwel an Schönheit und Pracht, die jedes andere Land bei weitem übertrifft.«
»Genug der Schmeichelei«, unterbrach sie der König. »Sie wird dir nichts nützen. Du hast dein Leben allein dadurch verwirkt, dass du geflohen bist. Ich glaube dir nicht, dass du niemandem von Atala berichtet hast. Erzähle keine Lügen, ich durchschaue das!«
»Edler König, ich schwöre bei allen Göttern, die mir heilig sind: Ich habe nie einem anderen Menschen von Eurem Reich erzählt.«
»Wer kann mir eine Garantie darauf geben? Womöglich wartet schon eine ganze Flotte von Kriegsschiffen darauf, durch den Strudel zu fahren und Atala anzugreifen? Ich kenne euch Menschen mit euren ewigen Kämpfen und Kriegen. Die Fisk-Hai wollen nichts mehr mit euresgleichen zu tun haben. Seit der Großen Flut habe ich Atala vor den Menschen verborgen gehalten, und die Geschichte der letzten Jahrhunderte gibt mir recht. Nichts als Tod und Zerstörung, Uneinigkeit und Zwist! Nein, Atala wird sich auf ewig von den Angelegenheiten der Menschen fernhalten. Dafür werde ich sorgen, solange ich Herrscher bin. Das Menschenvolk ist Atala seit jeher feindlich gesonnen.«
»Edler Eglamar, ich bin überzeugt, Ihr leitet die Geschicke Eures Landes mit großer Weisheit und Weitsicht und besser als jeder andere zuvor«, schmeichelte Eilenna. »Die Größe und Schönheit Eures Reichs und das Glück seiner Bewohner sprechen für sich. Nur ein besonders weiser Herrscher wie Ihr kann dieses Glück aufrechterhalten.«
Eglamar konnte nicht anders, als sich geehrt zu fühlen. Der Schatten eines Lächelns glitt über sein Gesicht. Plötzlich schien er sich der Unziemlichkeit seines Auftretens bewusst zu werden, er wankte zurück und zwängte sich auf seinen Thron hinter der Tafel. Er rückte seine Krone gerade und zupfte seinen Umhang zurecht, dann stützte er die Hände auf die Tischplatte. Sein Blick schweifte über die Fremden, und sogleich verfiel er wieder in seine alte Unfreundlichkeit.
»Warum tragen die Gefangenen keine Fesseln, wie ich befohlen habe?«, brüllte er Dex an, und seine Stimme überschlugsich. Seine Faust krachte auf den Tisch, dass Teller und Gläser schepperten.
Die Wächter beeilten sich, Eglamars Befehl auszuführen, und fesselten Tenan und die anderen.
Nur Dex stand ungerührt vor seinem König. Er schien die Wutausbrüche des Herrschers gewohnt zu sein. »Wie ich schon sagte, mein König: Es besteht keine Fluchtmöglichkeit mehr seit jenem unglückseligen Vorfall damals. Die verschütteten Gänge, die den Zugang zu den Kerr-Inseln ermöglichten und durch die das Mädchen an die Erdoberfläche fliehen konnte, wurden damals von meinen Leuten endgültig durch einen Erdrutsch versiegelt, genau, wie Ihr angeordnet hattet. Die Fremden können nicht mehr entkommen.«
Diese Information schien Eglamar nicht wirklich zu beruhigen. »Habt ihr sie nach Waffen durchsucht?«
Die Wachen wechselten peinlich berührte Blicke und traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.
»Wieso tut hier eigentlich keiner, was ich anordne?«, schrie Eglamar. Seine gelben Augen traten vor Wut fast aus den Höhlen. Er sprang abermals mit erstaunlicher Kraft aus seinem Sessel auf und kippte schnaufend vor Wut den Tisch um. Krachend fiel der von dem Podest. Das Geschirr zerbrach, Speisen und Getränke verteilten sich auf dem Boden.
Die Wachen sprangen eilig auf die Gefangenen zu
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