Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
in dunkle, wallende Gewänder gehüllt war. Ihre Gesichtszüge waren unter einer weiten Kapuze verborgen. Nur wenige Wesen hatten jemals das Antlitz von Achest Todesfürst erblickt, und diese wenigen waren entweder seine engsten Vertrauten oder tot.
Beim Anblick seines Meisters verneigte sich der Bash-Arak tief.
»Du hast dir Zeit gelassen«, erklang die flüsternde Stimme des Todesfürsten. Sie hörte sich an wie das Rascheln von Herbstblättern und schwebte schwerelos in der Kammer.
»Ich wurde aufgehalten«, antwortete der Herr der Schatten vage. »Erst vor einer Stunde bin ich auf der Dethor eingetroffen.«
»Was hast du mir mitzuteilen, mein treuer Diener?«
»Ich bringe Euch wichtige Nachricht«, begann der Schatten. »Einer meiner Diener konnte den Meledos aufspüren. Der Sturm und die Strömung des Meeres haben das Heck der Lethis an die Küste der Insel Gondun getrieben. Der Kristall befand sich in einer Kabine im Heck.« Er hielt inne, um seine Botschaft wirken zu lassen. Was noch folgen sollte, war weniger erfreulich.
»Sehr gut«, wisperte Achest. Seine Befriedigung war nicht zu überhören. »Bring ihn auf dem schnellsten Weg nach Caithas Dun, damit ich mein Werk vollenden kann.«
»Das geht nicht, Meister«, sagte der Schatten. »Mein Diener konnte den Kristall nicht an sich nehmen.«
»Was ist passiert?«
Die Umrisse des Bash-Arak flackerten. »Der Meledos wurde entdeckt und dem Zugriff meines Getreuen entzogen, bevor dieser ihn in seine Gewalt bringen konnte. An welchem Ort sich der Kristall jetzt genau befindet, wissen wir nicht, aber er ist im Besitz eines Sterblichen auf Gondun.«
Es folgte eine kurze Stille, in der Achest nachzudenken schien. Seine schmalen Hände spannten sich unmerklich. »Wie war es möglich, dass dein Diener den Meledos einem Sterblichen überlassen musste? Es heißt doch, die Schatten seien mächtig.«
Der Bash-Arak wusste, dass er seinen Herrn nicht belügenkonnte, denn Achest war ein Meister der Lüge und durchschaute jeden Versuch sofort. Er musste bei der Wahrheit bleiben, doch er würde nicht alles berichten. »Die Schatten sind mächtig, in der Tat, mein Meister. Aber noch sind sie nicht zu ihren vollen Kräften erwacht. Ihr wisst, dass es noch einiger Rituale bedarf, bis sie dauerhaft aus den Grauen Sphären in die Welt der Sterblichen wechseln können. Selbst ich bin noch nicht fähig, lange Zeit in körperlicher Form zu existieren; immer wieder muss ich in die Sphären zurückkehren, um Kraft zu sammeln. Mein Diener war wohl ebenfalls zu schwach, um sich lange genug außerhalb des Schattenreichs aufzuhalten. Wahrscheinlich wurde er deshalb vorzeitig wieder dorthin zurückgezogen. So war es dem Finder des Kristalls möglich, mit dem Stein zu entkommen.«
Achest hing einen Moment seinen Gedanken nach. »Das sind in der Tat ungewöhnliche Ereignisse. Ich werde darüber in mich gehen. Doch zuvor müssen wir handeln. Gebt Admiral Drynn Dur meine Befehle weiter«, wisperte er. »Er soll die Gredows nach Gondun schicken und die Insel nach dem Meledos absuchen lassen. Es muss um jeden Preis verhindert werden, dass der Kristall in die Hände der Dan-Ritter und der Erzmagier gelangt. Admiral Drynn Dur soll tun, was er für nötig hält.«
Der Bash-Arak verstand und neigte ehrerbietig das Haupt. »So sei es, mein Meister.«
Der Todesfürst entließ ihn mit einer knappen Geste aus der Unterredung. Das Bild im Spiegel verschwand in einem grauen Strudel, und der Cerele verwandelte sich zurück in eine glatte Spiegelfläche, die nichts reflektierte außer den dunkel glühenden Augen des Herrschers der Schattenwesen.
Der Bash-Arak wandte sich zufrieden ab. Er hatte erfolgreichverschwiegen, welche Kräfte der Finder des Kristalls eingesetzt hatte. Sie waren in ihrer Reinheit und Stärke äußerst ungewöhnlich und unter Sterblichen kaum anzutreffen. Kein Mensch vermochte einen Schatten in die Grauen Sphären zurückzuschleudern, es sei denn ... Nein, der Gedanke, der ihm jetzt kam, war zu abwegig.
Doch dieser Sterbliche hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Er würde ihn beobachten, sobald er ihn entdeckte. Er konnte nur hoffen, dass ihm dies früher gelang als den Gredows, die sich nun marschbereit machen würden.
11
Das Kaminfeuer in Osyns Hütte spendete wohlige Wärme. Die Flammen züngelten lebhaft und warfen gespenstische Schatten an die Wände. Tenan saß gespannt vor seinem Meister und wartete, während er seine schmerzenden Arme und Beine massierte. Osyn
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