Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
Bord!«, schrie Harrid. Er und einige Matrosen rannten mit Messern und verrosteten Schwertern herbei, die sie zur Verteidigung gegen Piraten bei sich führten. Die Waffen waren alt und schlecht gepflegt, aber sie erfüllten ihren Zweck. Dennoch – gegen die schwerbewaffneten Soldaten in ihren Rüstungen war es ein ungleicher Kampf, obwohl die Gredows noch in der Minderzahl waren. Tenan sah, wie sich weitere Krieger auf den Bugstegen der Acheron bereitmachten, die 182Dakany zu entern. Er schaute sich verzweifelt nach einer Waffe um. Plötzlich war Chast neben ihm. Der Kesselflicker hielt Bogen und Köcher in der Hand, zielte und feuerte einen Pfeil ab, der krachend die Panzerplatte eines Gredows durchschlug und tief in dessen Brust eindrang. Kreischend fasste er nach dem Pfeil, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Der massige Bug des Dronth-Brechers begrub ihn unter sich.
Chast warf Tenan Bogen und Köcher zu. »Da sind noch mehr Krieger auf den Balustraden«, rief er. »Schieß sie ab!«
Er selbst zog aus den Falten seines Umhangs ein langes Schwert und stellte sich breitbeinig den neuen Gegnern entgegen, die sich von der Acheron herüberschwangen. Seine Klinge zischte gefährlich durch die Luft. Sogleich hatte er einen würdigen Gegner gefunden, mit dem er sich ein hartes Gefecht lieferte.
Tenan zögerte nicht und nahm die Gredows auf der Acheron ins Visier. Von der Jagd in Gondun her wusste er mit dem Bogen umzugehen und ließ einen Hagel von Pfeilen auf die Angreifer niedergehen. Die Geschosse drangen in die Sehschlitze der Helme und an anderen ungeschützten Stellen in die Rüstungen ein, und die Gredows stürzten schreiend von den Laufstegen hinab in die Fluten. Tenan konzentrierte sich auf die Krieger, die sich an den Entertauen auf die Dakany schwingen wollten; sie waren ein leichtes Ziel im Flug, doch es drängten immer mehr heran. Wieder gelang es ein paar von ihnen, das Deck der Dakany zu entern, wo sie von den Matrosen in Empfang genommen wurden. Ein wilder Kampf entbrannte. Das helle Klirren der Waffen vermischte sich mit dem Schreien der Kämpfenden zu einem ohrenbetäubenden Lärm.
Ein Armbrustgeschoss krachte nahe bei Tenan in die Reling. Er riss den Bogen nach oben und zielte, doch es war zuspät. Ein Krieger hatte sich herübergeschwungen und kam neben ihm zum Stehen. Seine Klauenhand umfasste einen Krummsäbel, der auf Tenans Kopf zusauste. Er duckte sich und spürte den scharfen Luftzug über den Haaren. Schon folgte der nächste Hieb; Tenan versuchte, ihn mit seinem Bogen zu parieren, der jedoch krachend zersplitterte. Völlig wehrlos stand er nun vor dem wütenden Angreifer.
Ein zorniger Stoß des Gredows verfehlte seine Schulter nur deshalb, weil sich Tenan zur Seite auf einen Haufen Taue warf. Blitzschnell rappelte er sich auf, wollte fliehen und prallte gegen den Rücken eines anderen Gredows, der verbissen mit Harrid kämpfte. Der Stoß warf den Krieger nach vorn – direkt in die Klinge des Kapitäns. Es knirschte abscheulich, als das Schwert an einer ungeschützten Stelle durch die Rüstung drang. Gurgelnd fiel der Gredow wie ein gefällter Baum vornüber und krachte aufs Deck.
»Worauf wartest du denn?«, schrie Harrid. »Nimm endlich sein Schwert!«
Er wandte sich Tenans Angreifer zu, der hinter ihm zum Schlag ausholte. Tenan bückte sich und entwand den Fingern des Kriegers die tödliche Waffe. Sie war viel schwerer, als er gedacht hatte. Er brauchte beide Hände, um sie zu führen – kein Vergleich zu den Holzschwertern, mit denen er in Esgalin gekämpft hatte. Der Zweifel, ob er damit überhaupt zurechtkam, wich der nackten Notwendigkeit: Ein weiterer Angreifer stürzte sich auf ihn. Nun mochte sich auszahlen, dass er sich mit Amris im Schwertkampf gemessen und seine eigene Technik entwickelt hatte, auf die er so stolz war! Der Hieb des Angreifers hätte Tenan in zwei Hälften gespalten, wenn er keine Waffe gehabt hätte. Der Aufprall der beiden Schwerter ließ ihn nach hinten taumeln, mit Mühe konnte er das Gleichgewichthalten. Die roten Augen des Gegners flammten siegesgewiss nahe vor seinem Gesicht auf. Sie erinnerten ihn an seine schlimmsten Albträume, ihr Feuer brannte für immer in seiner Seele. Der beißende Atem der Bestie raubte ihm den Atem. Er packte das Schwert und vollführte ein paar Hiebe, um den anderen auf Distanz zu halten. Der Gredow parierte ohne Anstrengung und mit regungsloser Miene. Dann ging er zum Gegenangriff über. Wie
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