Das Siegel der Macht
Kaiser …«
»Aber der Graf von Tusculum ist doch ein Gegner der Crescentier und steht auf der Seite des Kaisers.«
»Solange Otto lebt. Wenn er sterben sollte …« Gerbert hörte mitten im Satz zu sprechen auf, ging zum Fenster und starrte in die Nacht. In gewissen Momenten seines Lebens hatte der willensstarke Gelehrte Hemmungen. Seine tiefen Gefühlsbewegungen wollte er vor niemandem bloßlegen.
»Wenn der Kaiser sterben sollte«, fuhr Gerbert nach einigen Minuten gefasst fort, »wäre die Nachfolge nicht geregelt. Es ist klar, dass die Mächtigsten sich um Rom streiten würden. Papst Gregor stellt dabei ein Hindernis dar.«
Alexius überlegte. »Eines verstehe ich nicht«, sagte er kopfschüttelnd. »Weshalb bin ich im Norden von Rom auf jenen von den Wölfen getöteten Boten gestoßen? Hätte dieser nicht in den Südosten nach Tusculum reiten sollen?«
»Sicher weiß Abt Hugo, dass der Graf von Tusculum sich in Farfa befindet, um die Streitkräfte der Abtei aufzubieten. Der Bote sollte diesen lediglich zur Eile antreiben. Da steht es ja, lies: Der Graf solle rasch von Farfa aufbrechen und unverzüglich über Tusculum nach Rom reiten.«
»Weshalb über Tusculum?«
»Weil die Krieger von Farfa dort mit der Streitmacht des Grafen zusammentreffen müssen.«
»Zum Glück ist die Botschaft nicht angekommen«, erkannte Alexius die praktische Seite.
»Du wirst sie trotzdem hinbringen, Alexius!«
»Ich? Wäre das nicht Wahnsinn?«
»Nein. Nur so können wir erfahren, wer dahinter steckt und ob meine Vermutung stimmt. Du musst nicht bis nach Farfa reiten. Sicher hat der Graf die Streitkräfte der Abtei inzwischen längst nach Tusculum geführt. Geh, Alexius, überreiche dem Grafen das Schreiben. Du kannst ja sagen, du hättest die Aufgabe mit einem anderen Meldereiter ausgetauscht.«
»Aber dann wird er mit seinen Streitkräften über die Stadt herfallen!«, rief Alexius erschrocken. Seine Stimme hallte überlaut in den eigenen Ohren.
»Nein, sobald du herausgefunden hast, wer in Rom auf die Krieger wartet, sagst du dem Grafen von Tusculum die Wahrheit. Dass wir seine Pläne durchschaut haben und unser kaiserliches Heer bereitsteht, ihn zu empfangen. Das wird ihn abschrecken.«
Alexius wählte für seine Mission keine typischen Sachsen aus. Die blonden Panzerreiter mussten in der Stadt bleiben. Gekleidet wie die römischen nobiles, ritt der Grieche mit Gerold und wenigen dunkelhaarigen Gefolgsmännern nach Tusculum. Der Herr war auf Reisen, wurde dem Missus gemeldet.
Wahrscheinlich genügen ihm die Krieger von Farfa und Tusculum nicht, mutmaßte der Kaiserbote. Sicher bietet der Graf in der Umgebung weitere Kämpfer auf.
Alexius ließ sich unter einem Vorwand zum Haushofmeister führen und studierte die Situation. Stabile Holzwälle umgaben ein großes Burggelände. Nur der Hauptturm war aus Stein, sonst gab es verschiedene Fachwerkgebäude. Alexius zählte die Pferde und erschrak. In Tusculum war eine gewaltige Streitmacht stationiert.
Fünf Nächte mussten sie in einer stallartigen Herberge verbringen, bis der Späher im Nordosten den erwarteten Grafen sichtete. Dieser hatte nur ein kleines Gefolge bei sich. Offenbar war es ihm nicht gelungen, für seine Sache weitere Krieger aufzubieten.
Alexius verlor keine Zeit. Er ritt mit zwei Gefolgsleuten eine Schlaufe und stieß außerhalb von Tusculum wie zufällig auf die Reiter.
»Eine eilige Botschaft für den Grafen von Tusculum«, sagte Alexius, als die beiden Gruppen einander gegenüberstanden.
»Die könnt Ihr mir gleich hier übergeben.«
»Wie Ihr wünscht. Ich muss allerdings auf Antwort warten.« Alexius stieg vom Pferd und überreichte seine Botschaft. Die in der Kaiserpfalz angefertigte Kopie des im Wald gefundenen, halb zerfetzten Briefes.
»Reitet gleich nach Rom zurück«, sagte der Graf von Tusculum kurz angebunden. »Teilt Papst Gregor mit, dass ich die Krieger des Klosters Farfa bereits hierher nach Tusculum gebracht habe. Allerdings muss ich warten, bis weitere Verbündete aus der Umgebung mit ihren Panzerreitern zu uns stoßen. Sobald sie hier sind, reiten wir los. Die Streitkräfte werden vor dem Mons Malus auf Papst Gregors Zeichen warten.«
Alexius traute seinen Ohren nicht. Verwirrt starrte er auf den Grafen. Papst Gregor? War Papst Gregor nicht das Opfer des Aufstandes? Der Missus überlegte fieberhaft. Sollte er dem Herrn von Tusculum jetzt verraten, dass die kaiserlichen Streitmächte ihn in Rom erwarteten?
»Wann werdet
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