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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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oder Partnervermittlungen zurückgreifen; außerdem wäre das zu weitgegangen, schließlich hatte ich mich nicht mit Nico besprochen. Von meinen Freundinnen kam keine in Frage, die waren nicht jung genug, und keine Frau in den Wechseljahren würde sich meiner drei Enkel annehmen, da konnte Nico noch so hinreißend sein.
    Wo ich ging und stand, war ich jetzt auf Brautschau, und mit der Zeit schärfte sich mein Blick. Ich forschte unter Freunden und Bekannten, musterte die jungen Frauen, die mich baten, Bücher für sie zu signieren, sprach sogar forsch zwei Mädchen auf der Straße an, aber die Methode erwies sich als wenig effektiv und ungeheuer zeitraubend. In diesem Tempo würde Nico noch mit siebzig allein sein. Ich besah mir die Frauen genau und sortierte sie am Ende eine nach der anderen wegen der unterschiedlichsten Gründe aus: zu ernst oder zu aufgekratzt, geschwätzig oder schüchtern, Raucherin oder Makrobiotikerin, angezogen wie ihre Mutter oder mit einer tätowierten Jungfrau von Guadalupe auf dem Rücken. Es ging um meinen Sohn, da konnte man die Entscheidung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich war schon der Verzweiflung nah, als Tabra mich mit Amanda bekannt machte, einer Fotografin und Autorin, die für eine Reisezeitschrift eine Reportage mit mir im Amazonasgebiet machen wollte. Amanda war sehr interessant und sah gut aus, war aber verheiratet und wollte demnächst Kinder bekommen, schied für meine amourösen Ränke also aus. Im Gespräch kamen wir jedoch auf meinen Sohn, und ich erzählte ihr das gesamte Drama, denn was sich mit Celia zugetragen hatte, war längst kein Geheimnis mehr; Celia selbst hatte es in alle Winde verkündet. Amanda erklärte, sie kenne die ideale Kandidatin: Lori Barra. Sie war ihre beste Freundin, hatte ein großes Herz, keine Kinder, war hübsch und kultiviert, stammte aus New York und besaß ein Graphikdesignstudio in San Francisco. Sie hatte einen, nach Amandas Dafürhalten, unausstehlichen Freund, aber den würden wir schon irgendwie loswerden, und dannkönne man sie mit Nico bekannt machen. Nicht so hastig, erst müsse ich sie mir gründlich ansehen, sagte ich. Amanda arrangierte ein gemeinsames Mittagessen, und ich nahm Andrea mit, weil mir schien, die junge Graphikerin solle eine ungefähre Ahnung davon kriegen, was auf sie zukam. Von meinen drei Enkeln war Andrea zweifellos die speziellste. Sie erschien als Bettlerin verkleidet, in rosa Lumpen, die um verschiedene Körperteile gewickelt waren, mit einem Strohhut, an dem welke Blumen steckten, und mit ihrer Rettet-den-Thunfisch-Puppe. Ich war drauf und dran, sie in einen Laden zu schieben, um ihr etwas Präsentableres zum Anziehen zu kaufen, hielt es dann aber doch für besser, daß Lori sie in ihrem Normalzustand kennenlernte.
    Amanda hatte ihrer Freundin nichts von unseren Plänen erzählt, und ich Nico nichts, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Das Mittagessen in einem japanischen Restaurant war ein gelungener Kniff und erregte keinen Verdacht bei Lori, die uns nur gern kennenlernen wollte, weil ihr Tabras Schmuck gefiel und sie ein paar von meinen Büchern gelesen hatte, zwei Pluspunkte für sie. Tabra und ich waren sehr angetan von ihr, sie war erfrischend unaffektiert und herzlich. Andrea musterte sie wortlos, während sie vergeblich versuchte, sich mit zwei Holzstäbchen rohen Fisch in den Mund zu schieben.
    »In einer Stunde kann man jemanden nicht kennenlernen«, warnte mich Tabra danach.
    »Sie ist ideal! Sie sieht Nico sogar ein bißchen ähnlich, beide sind groß, schlank, hübsch, feingliedrig und tragen schwarze Sachen: sie könnten Zwillinge sein.«
    »Was kaum Grundlage für eine gute Ehe ist.«
    »In Indien wird nach dem Horoskop entschieden, das ist auch nicht eben wissenschaftlich. Alles ist Glückssache, Tabra.«
    »Wir müssen mehr über sie herausfinden. Man muß sie in schwierigen Situationen erleben.«
    »Du meinst im Krieg oder so?«
    »Das wäre das Beste, aber es ist keiner in Sicht. Was hältst du davon, wenn wir sie an den Amazonas einladen?« schlug Tabra vor.
    Und so fand sich Lori, die uns ein einziges Mal über einen Teller Sushi hinweg gesehen hatte, mit uns in einem Flugzeug nach Brasilien wieder, als Assistentin von Amanda, der Fotografin.
    Vor unserer Fahrt ins Amazonasgebiet malte ich mir aus, daß wir an sehr urtümliche Orte gelangen würden, an denen Loris Charakter wie der sämtlicher anderer Expeditionsteilnehmer offenbar würde, aber leider erwies sich die Reise

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