Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
Boden.
„Vier
Kinder habe ich mit Zeus. Hebe wurde zu einem Mundschenk degradiert, da sie bis
auf ihre Unsterblichkeit über keine göttlichen Gaben verfügte und unterwarf
sich schließlich Herakles. Eileithya wurde lediglich eine helfende Hand für
Frauen während ihrer Niederkunft. Mein grauenhaft entstellter Sohn Hephaistos
wurde gemieden, weil er den übrigen Göttern Angst bereitete und Ares wurde
wegen seinem unehrenhaften Verhalten gehasst und schlussendlich sogar vom Olymp
verbannt. Du siehst, meine Kinder haben es weder in dieser, geschweige denn in
der Welt der Sterblichen zu etwas gebracht und konnten auch nicht mit dem
Talent und dem Ansehen einer Athene mithalten. Nachdem nun auch du, als einzige
Halbgöttin, die jemals einen Fuß über die Schwelle des Olymps gesetzt hatte,
bei den übrigen Göttern für so viel Aufsehen gesorgt hast, sah ich meine
Position an der Seite meines Mannes wohl als gefährdet an …“
Serena
schwieg noch immer. Lediglich ihre Augen kniffen sich zusammen und wurden zu
zwei mitfühlenden Schlitzen, in denen sich zwei glasige Perlen spiegelten.
Zögernd
trat sie auf die Göttin zu, durchbrach die schützende Mauer, die Hera um sich herumgebaut
hatte und zog sie in ihre Arme.
Niemals
hätte die junge Halbgöttin gedacht, sie würde dies tun. Hätte ihr jemand diese
Zukunft prophezeit, sie hätte ihn mit schallendem Gelächter gedemütigt. Sie
wusste nicht was sie überkam, doch für diesen einen Moment fühlte es sich
richtig an. Und als Hera ihre Umarmung erwiderte, überkam ihren heruntergekühlten
Körper sogar ein wärmendes Gefühl.
„Es
tut mir so leid …“, flüsterte die Göttin leise in ihr Ohr und drückte sie an
sich.
Serena
sagte nichts. Jedes weitere Wort, das nach Heras Entschuldigung für all ihre
Demütigungen folgte, würde nur diesen einen magischen Moment zerstören, von dem
die junge Halbgöttin glaubte, er würde niemals wahr werden – Die Versöhnung mit
ihrer Stiefmutter.
Selbst
als sie wieder durch das Unterholz schlich und sich ihren Weg durch Heras
Garten suchte, für dessen Durchqueren sie nun ihre offizielle Genehmigung
hatte, gingen ihr die Worte der Göttin nicht mehr aus dem Sinn. Sie hatte sie
aufgesucht und sich bei ihr entschuldigt, für das, was sie ihr angetan hatte, für
ihre Beleidigungen und Demütigungen. Eine wahre Wohltat für die junge
Halbgöttin, dass Balsam für ihre Seele war.
Auf
der Lichtung angekommen, auf der sie mit Athene immer heimlich übte, legte sie
ihren Leinensack ab, in dem sie das alte Übungsschwert verstaut hatte und
zückte den Bogen.
Je
weiter sie vom Olymp entfernt war, desto sicherer fühlte sie sich, nicht von
Athene oder ihrem Vater erwischt zu werden. Hier war sie für sich alleine,
endlich. Nur ihre quälenden Gedanken banden sie an die Realität, doch sie wusste,
wie sie sich dieser entziehen konnte.
Sie
zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und spannte den Bogen. Die Sehne an ihren
zarten Lippen spürend, holte sie Luft und schloss ihre Augen. Sie lauschte
ihrer Umgebung, dem leisen Heulen des Windes, der sich seinen Weg zwischen den
Bäumen am Rande der Lichtung hindurch suchte und das Gras unter ihr sanft
umwog. Dem Zwitschern der Vögel in den Baumkronen und dem Zirpen der Grillen in
den hohen Sträuchern. In diesem Moment war sie, wie Artemis sagen würde, im
Einklang mit der Natur.
Ihre
Sinne an ihre Umgebung angepasst und geschärft, richtete sie den Bogen und
atmete aus. Ihr Atem wurde gleichmäßiger, bis er kaum noch wahrzunehmen war.
Serena
ließ die Sehne los. Der Pfeil sauste in die Dunkelheit. Nur wenige Augenblicke
später vernahm sie den dumpfen Aufschlag, der sie dazu verleitete, die Augen
wieder zu öffnen, in denen sich nun ein zufriedenes Glitzern spiegelte. Sie
hatte die Zielscheibe genau ins Schwarze getroffen, ohne diese auch nur
anzusehen.
Einen
weiteren Pfeil zog sie aus ihrem Köcher. Dieses Mal wollte sie den anderen in
der Mitte spalten. Ein schwieriges Unterfangen, doch das Adrenalin in ihrem
Körper hatte ihre Sinne berauscht.
Wieder
spannte sie den Bogen und zog die Sehne bis zu ihrer Wange. Die Augen
geschlossen, den Atem beruhigt, lauschte sie ihrer Umgebung und …
…
hielt inne.
Es
war ruhig. Die Grillen hatten aufgehört zu zirpen und selbst das muntere Lied
der Vögel erstarb.
Angespannt
hielt Serena den Nock des Pfeiles zwischen Mittel- und Zeigefinger in der Sehne
und blickte aus dem Seitenwinkel in die Dunkelheit. Nur der Schein des
Weitere Kostenlose Bücher