Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
fragend
zu ihr auf. Auch ihr sonst so starrer Gesichtsausdruck war verschwunden und
wirkte viel freundlicher, was für die Halbgöttin mehr als ungewohnt war.
„Ich
habe euch wohl wirklich falsch eingeschätzt …“
Serena
war zu verwirrt und so blieben ihr die Worte weg, als Hera den Kerker verließ, die
Eisentür hinter sich schloss und sie im Kerker zurückließ.
Ein
letztes Mal sah sich die Herrscherin nach ihr um, während sie die Kapuze ihres
Umhangs überzog, als hätte sie Angst, jemand könne mitbekommen, dass sie hier
war.
Einen
Augenblick stand sie noch hinter den Gitterstäben und musterte die
zusammengekauerte Gestalt ihrer Stieftochter, die sie noch immer verwirrt
anstarrte. Dann wandte Hera ihre Blicke nur für einen Moment von ihr ab und sah
zu dem kleinen Fenster hoch, durch das nun einige Sonnenstrahlen herein
leuchteten, und ihr ein kleines unheimliches Lächeln auf die Lippen zauberten.
Dieses verschwand jedoch abrupt als sie ihre Aufmerksamkeit erneut Serena widmete,
die sich wieder an die kalte Kerkermauer lehnte.
„Ich
bezweifle, dass Zeus‘ Strafe eine Verbannung vom Olymp sein wird …“, lächelte
sie nun leicht und verschwand dann schnell außer Sichtweite.
Serena
wollte sich erheben und fragen was sie mit dieser Aussage meinte, doch die
Göttin war schneller als sie und ließ sie so mit neuen Fragen zurück, die ihren
Verstand quälten. Warum hatte sie gelächelt? Es war fast so, als wäre jeglicher
Hass auf Serena von ihr abgefallen. Aber konnte so etwas überhaupt möglich
sein?
Die
junge Halbgöttin spürte das wärmende Licht der Sonne auf ihrer Haut kribbeln
und blickte zum Fenster. Sie hatte die hellen Strahlen in den letzten Tagen
nicht mehr zu Gesicht bekommen, denn schwarze dicke Wolken, die nichts als
Regen brachten, hatten die Sonne umhüllt und verhinderten, dass das Geschenk
des Helios hindurch kam. So untermalte das Wetter ihre Stimmung und möglicherweise
sogar die ihres Vaters.
In
Gedanken vertieft und mit Freude überschwemmt, das wärmende Licht selbst durch
die dicken Kerkermauern erblicken zu können, übersah sie erst das kleine dunkle
Wesen, das auf dem schmalen Fenstersims saß und sie mit großen sandfarbenen
Augen ansah.
„Cybele
…“, flüsterte Serena verwundert, ehe sie realisierte, dass sie wirklich wieder
da war.
Langsam
konnte sie sich wieder aufrappeln und in kleinen Schritten zum Fenster hetzen.
Die
Ketten, die sich eng um ihre Knöchel schlangen und ihr nicht viel Freiraum
ließen, behinderten sie dabei sehr, doch jeglicher Schmerz war in diesem Moment
vergessen, als sie die bereits abgeschriebene Eule ihrer Schwester Athene
erblickte. Wochen war es nun her, dass sie die kleine Cybele losgeschickt hatte
und sehnsüchtig darauf hoffte, ein Lebenszeichen von Hermokrates und Lisias zu
erhalten. Nun, als sie das kleine Stück Pergamentpapier erspähte, das an ihren
dürren Füßen befestigt war, wuchs die Hoffnung in ihr, dass es beiden gut ging
und jegliche Zweifel schwanden dahin.
Während
ihre Hand durch das weiche Gefieder der kleinen Eule strich und sie sicher sein
konnte, dass es kein grausamer Traum war, atmete sie erleichtert auf, als würde
sie ein dankbares Stoßgebet gen Himmel schicken.
Eilig
befreite sie Athenes Gefährtin von der Nachricht und öffnete sie mit zittrigen
Händen.
Serena
hoffte so sehr, dass die Worte, die sie nun darin lesen würde, sie endlich beruhigen
würden und sie sicher sein konnte, dass es beiden wirklich gut ging und sie
auch ohne sie zurechtkamen, doch ein Funken Pessimismus in ihr hielt es
traurigerweise sogar für möglich, dass einer der beiden mittlerweile nicht mehr
am Leben war. Sie hatte all die Wochen nicht daran gedacht, dass eine Nachricht
von Hermokrates möglicherweise alles zerstören könnte, woran sie noch glaubte.
Sie hatte sich so sehr darauf fixiert, überhaupt eine Nachricht zu erhalten,
dass sie dabei völlig außer Acht ließ, dass sie etwas lesen könne, was ihr
nicht gefiel. Unweigerlich dachte sie an den kleinen Lisias, der dank seiner
schmächtigen Statur ohne Hilfe wohl kaum drei Tage überleben würde.
Also
stellte sie sich nun die Frage: Wollte sie überhaupt lesen, was darin
geschrieben stand?
Einen
Moment hielt sie inne und dachte nach. Der Gedanke, dass dem kleinen
Waisenjungen etwas zu gestoßen sein konnte, weil sie nicht da war, war
unverzeihlich für sie.
Doch
eine menschliche Eigenschaft in ihr ließ sie das Pergament schlussendlich doch
öffnen – Neugier
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