Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
dienten, Platz nahmen. Die Handwerker, Bauern und Knechte durften zum Mahl anscheinend nicht in die Burg.
Juliana kaute und schluckte, ohne recht zu würdigen, was sie aß.
»Ich habe ein wenig mit den Rittern geplaudert«, sagte Bruder Rupert mit vollem Mund und schob gleich noch einen fettigen Fleischbrocken hinterher.
»Don Fernando war mit zwei seiner Ritter in Santiago, irgendeinen Zwist mit dem Bischof beizulegen. Anscheinend will der Bischof einen Jakobsgulden von Ponferrada kassieren oder so etwas, weil die Templer von den vielen Pilgerreisenden zum Grab des Apostels profitieren. Seltsam, aber vielleicht habe ich das nicht richtig verstanden. Jedenfalls wird der Comandador in zwei Tagen zurückerwartet.« Eine Weile schwieg der Bettelmönch und leerte seine Schale, um sie aus dem Kessel, den ein dienender Bruder vorbeitrug, rasch noch einmal zu füllen.
»Einen Gast der Burg aus deiner Heimat haben wir übrigens nur knapp verpasst. Ein Ritter aus Franken! Er war zwei Tage hier und ist erst heute Nachmittag aufgebrochen.«
Juliana senkte ihr Gesicht tief über ihre Schüssel. Sie spürte, dass Bruder Rupert sie beobachtete. Hatte ihm der Bruder an der Pforte erzählt, wonach sie suchte?
Draußen war Hufschlag zu vernehmen. Gedämpfte Stimmen drangen bis in die Halle. Einer der Ritter am unteren Ende der Tafel stand auf und ging hinaus. Kurz darauf führte er zwei Reisende herein. Juliana verschluckte sich an einem Brotstück und hustete, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen.
»Unserem jungen Freund scheint es nicht wohl zu sein?«, sagte Pater Bertran kühl und setzte sich ihr gegenüber.
»So unverhofft trifft man sich wieder«, begrüßte Bruder Rupert die beiden und schlug Juliana kräftig auf den Rücken. Das Mädchen wischte sich über die Augen und senkte hastig den Blick.
»Raymond, welch Freude, Euch wiederzusehen«, sagte der Bettelmönch sarkastisch.
»Was man zusammen begonnen hat, das sollte man auch gemeinsam zu Ende bringen«, erwiderte der blonde Ritter. »Manchmal schlägt uns Gott mit Blindheit, und wir erkennen nicht, was wir direkt vor uns haben!«
»Weise gesprochen«, stimmte ihm Bruder Rupert zu. Die beiden maßen sich mit Blicken. Juliana wäre am liebsten davongelaufen. Doch wohin sollte sie in der Dunkelheit der Nacht gehen? Wenn sie nur früher erfahren hätte, wie knapp sie den Vater verpasst hat, dann hätte sie vielleicht das nächste Dorf noch erreichen können. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als den Morgen abzuwarten, wenn das Tor wieder geöffnet wurde.
Ritter Raymond de Crest schöpfte sich reichlich Fleisch, nahm den Löffel von seinem Gürtel und begann zu essen. Bruder Rupert wischte sich die Hände an seiner braunen Kutte ab und erhob sich.
»Komm, junger Freund, wir sollten uns niederlegen. Der Tag war hart, und morgen haben wir wieder einen Berg zu bezwingen.«
Bruder Rupert schloss die Kammertür hinter sich und blieb dann mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor ihr stehen.
»Johannes, ich muss mit dir sprechen.«
»Was ist?« Sie sah ihn nicht an, sondern wühlte in ihrem Rucksack.
»Wir werden den Weg morgen nicht nach Westen fortsetzen.«
»Ach, und wohin werden wir dann gehen?«, fragte sie scheinbar unbeeindruckt, während sie ihre Pilgertasche heranzog.
»Nach Süden.«
Nun sah Juliana doch auf. »Was gibt es denn im Süden zu finden?«
»Die Templerburg Cornatel und die roten Minenberge von Las Médulas. Die Römer haben dort einst im großen Stil Gold gewaschen. Ich meine in richtig großem Stil! Sie haben ganze Berge versetzt, indem sie sie ausgehöhlt haben und dann von gestauten Seen wegschwemmen ließen.«
»Ich bin nicht auf der Suche nach Gold. Was soll ich da? Geht Ihr dorthin, wenn Ihr es wollt, mein Ziel liegt im Westen – und es ist ganz nah!« Sie funkelte ihn herausfordernd an.
»Das weiß ich wohl, und gerade deshalb ist es jetzt notwendig, dass du einen anderen Weg einschlägst.«
Juliana setzte sich aufrecht hin und verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann erklärt mir, was Ihr vorhabt. Vielleicht werde ich Euch glauben. Ich rate Euch, strengt Euch an mit Eurer Erklärung, denn es ist wahrscheinlicher, dass ich Eure Geschichte von vorn bis hinten für eine Lüge halte.«
Der Bettelmönch stürzte sich auf sie und umklammerte ihre Handgelenke. »Verflucht noch einmal, ich muss dir überhaupt nichts erklären. Glaubst du, ich weiß nicht, wen du suchst? Ich habe Augen und Ohren! Ich bin diesen Weg
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