Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
eingenickt, dass ich deinen frühen Aufbruch nicht bemerkt habe. Wie rücksichtsvoll von dir, mich schlafen zu lassen!«
Der Unterton gefiel ihr gar nicht. »Ich bin Euch keine Rechenschaft schuldig! Mir war eben danach, meinen Weg allein fortzusetzen.«
Bruder Rupert stieß ein kurzes Lachen aus. »Sehr vernünftig, nachdem du gerade erst in den Wäldern eine Keule über den Schädel gezogen bekamst!«
»Eure Anwesenheit hat mich davor ja auch nicht bewahrt!«, zischte das Mädchen.
Der Mönch brummte. »Der Stich trifft. Ja, ich habe mich von zwei Strauchdieben ablenken lassen, während der Rest der Gruppe sich von der anderen Seite her an euch rangemacht hat.« Er neigte den Schädel mit dem kurzen verfilzten Haar. »Es ist meine Schuld, und ich bitte um Vergebung.«
»Ihr seid nicht für mich verantwortlich«, wehrte Juliana ab, aber Bruder Rupert war bereits an ihr vorbeigegangen und sprach nun leise auf den Wächter ein. Er zog ein Blatt Pergament
aus seinem Bündel und entfaltete es. Der einfache Bruder starrte eine Weile auf die Schrift und schüttelte dann den Kopf.
»¡Esperad aquí!«, sagte er und schlug die Tür hinter sich zu.
»Gut, wir warten«, sagte der Mönch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hoffe nur, nicht so lange. Ich habe Hunger!«
Kurz darauf kam der Torhüter mit einem Ritter zurück. Sein weißer Mantel mit dem roten Kreuz war zwar ein wenig verstaubt und sein Bart starrte vor Schmutz, doch er war unzweifelhaft ein Tempelritter. Noch einmal entfaltete Bruder Rupert das Schreiben. Juliana reckte den Hals, konnte die Worte jedoch nicht erkennen. Sie rückte ein Stück näher, aber da legte er es schon wieder zusammen und steckte es in seine Tasche. Der Templer hob einladend die Hand.
»Kommt herein und ruht Euch aus. Ich werde in der Küche Bescheid geben, dass wir Gäste haben.«
»Komm, Johannes, die Tore sind geöffnet. Wie geht es nun weiter?« Er sah sie aufmerksam an.
»Ihr geht etwas essen und trinken, und ich sehe mich ein wenig um«, sagte sie. »Ich komme später zu Euch.«
Seine Barthaare zitterten. »Wie du wünschst.«
Spottete er über sie? Weidete er sich an ihrem Unglück? Sie folgte ihm bis zu der Gästekammer, die der Templer ihnen zeigte. Hier dürften sie ruhen, bis die Glocke zum Mahl rufe. Dann könnten sie den anderen ins Refektorium folgen und am Tisch für Gäste Platz nehmen. Heute gebe es Fleisch, fügte er noch hinzu, ehe er mit einem Kopfnicken hinausging.
Als die Glocke zum Spätmahl rief, hatte Juliana bereits jeden Fußbreit der Burg, den man sie sehen ließ, in Augenschein genommen.
Die Festung war auf einem abgeflachten Hügel errichtet worden, dessen Nordosthang steil zum Fluss hin abfiel. Die Stadt
auf der anderen Seite war durch eine Mauer und einen Graben abgetrennt, der nur über eine Zugbrücke überquert werden konnte. Ein Mauerring zog sich um die gesamte Hügelkuppe und schützte die Wohngebäude der einfachen Brüder und die der Bauern und Knechte.
Die Ritter selbst wohnten in der Hauptburg, die sich in Form eines Trapezes an der Nordseite des Hügels erhob. Auf der Innenseite entstand gerade ein mächtiger, quadratischer Turm. Auch an den anderen Mauern wurde gebaut. Das Haupttor an der Brücke sollte offensichtlich ebenfalls verstärkt werden.
Juliana schritt über die zinnenbewehrte Schutzmauer. Der Wehrgang war immer wieder unterbrochen, die Abgründe dazwischen mit Brettern belegt, so dass sie wie kleine Zugbrücken rasch hochgezogen werden konnten, um einem Feind, der es bis auf den Hügel geschafft hatte, das weitere Vordringen zur Hauptfestung zu erschweren. In Gelassen am Fuß der Mauer wurden Steine, Spieße und Fackeln aufbewahrt. Juliana sah selbst in die Ställe der Pferde und des Kleinviehs und ging zwischen den Gemüsebeeten hindurch, aber sie fand keine Spur von ihrem Vater. Die meisten Männer, die sie fragte, konnte sie nicht verstehen, doch auch die Ritter, die Französisch oder ein wenig Latein sprachen, versicherten ihr, dass der Comandador nicht auf der Burg weile und es keine weiteren Gäste gebe.
Vor Erschöpfung und Enttäuschung den Tränen nahe setzte sie sich neben Bruder Rupert und ließ sich von ihm eine Schale mit dicken Fleischbrocken füllen. Er nahm noch zwei mächtige Stücke Brot aus dem Korb und legte sie neben ihre Schale. »Iss!«
Sie saßen an einem eigenen Tisch ein Stück von den elf Rittern entfernt. Neben der Tür war eine Tafel, an der die Brüder, die als Wappner
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