Das Sigma-Protokoll
Rheuma, erfreute sich aber ansonsten bester Gesundheit.
Die Kellnerin geleitete den alten Mann in die Halle zu einer antik aussehenden Telefonkabine aus Holz. Sie hielt ihm die Tür
auf und strich ihm mit der anderen Hand das etwas verrutschte Dinnerjackett glatt.
Als Ramago den Arm hob und nach dem Hörer griff, der neben dem Telefon lag, spürte er einen kurzen, stechenden Schmerz im Oberschenkel. Er zuckte zusammen und schaute sich um, aber die Kellnerin war nicht mehr da.
Da der Schmerz sofort verschwand, drehte er sich wieder um und hob den Hörer ans Ohr. Er hörte das Freizeichen.
»Was soll das...?« Dann verlor Ramago das Bewusstsein und sackte zusammen.
Keine Minute später entdeckte ein Kellner den Toten in der Telefonkabine und holte Hilfe.
Die österreichischen Alpen
Patient Achtzehn wurde um Mitternacht geweckt.
Eine Schwester nahm seinen Oberarm, legte vorsichtig eine Aderpresse an und zapfte ihm Blut ab.
»Was zum Teufel soll das denn jetzt?«, brummte der Mann.
»Tut mir Leid«, sagte die Schwester. »Wir haben Anweisung, ab Mitternacht alle vier Stunden eine Blutprobe zu nehmen.«
»Wozu denn?«
»Um ihren Erythropoetinspiegel zu messen.«
Dieser ganze medizinische Hokuspokus war äußerst beunruhigend. Und er wusste, das hier war erst der Anfang.
»Das war’s. Schlafen Sie gut. Morgen wird ein langer Tag.«
Das Frühstück wurde in einem luxuriösen Bankettsaal serviert. Das Buffet hielt frisches Obst, frisch gebackene Brötchen und Croissants, Frühstückswürstchen, Eier, Schinken und Speck im Überfluss bereit.
Nachdem Patient Achtzehn gefrühstückt hatte, brachte man ihn in ein Untersuchungszimmer, das in einem anderen Flügel untergebracht war. Dort schnipselte ihm eine Schwester mit einem kleinen Skalpell ganz behutsam ein Stückchen Haut von der Innenseite seines rechten Oberarms.
Er stöhnte.
»Tut mir Leid, wenn es wehgetan hat.«
»Mein ganzer verdammter Körper tut schon weh. Wofür war das jetzt?«
»Die Gewebeprobe wird benötigt, um die Elastizität der Retikulinfasern zu untersuchen«, erklärte sie und verband ihm den Arm.
Im Hintergrund unterhielten sich zwei Ärzte leise auf Deutsch. Patient Achtzehn verstand jedes Wort.
»Die Gehirnfunktionen sind leicht beeinträchtigt«, führte der kleine Dicke aus. »Allerdings im Rahmen dessen, was man bei einem Mann seines Alters erwarten darf. Keine Anzeichen von seniler Demenz oder Alzheimer.«
Der andere Arzt - ein großer, graugesichtiger Mann - fragte: »Wie steht’s mit dem Herzmuskelvolumen?«
»Annehmbar. Außerdem haben wir den Blutdruck an der Schienbeinarterie diesmal mit dem Doppler-Ultraschallverfahren gemessen. Wir konnten eine leichte Verengung der peripheren Arterien feststellen.«
»Erhöhter Blutdruck?«
»Etwas, aber noch im Normalbereich.«
»Irgendwelche Auffälligkeiten im Blutbild?«
»Das wird im Labor gerade gemacht.«
»Sehr schön. Schätze, da haben wir einen guten Kandidaten. Ich schlage vor, dass wir das Tempo der Tests etwas anziehen.«
Ein guter Kandidat, dachte Patient Achtzehn. Dann wäre es also geschafft. Er drehte sich zu den beiden Ärzten um und lächelte sie scheinheilig an.
22. KAPITEL
Wien
Jetzt wartete er schon eine halbe Stunde. Ben saß vor einer inzwischen kalten Melange in der geräumigen Lobby seines Hotels in der Kärntner Straße und wartete auf den Privatdetektiv, dessen Namen er aufs Geratewohl aus den Gelben Seiten gefischt hatte.
Sicher gab es weit bessere Methoden, sich einen Privatdetektiv zu besorgen als das Wiener Telefonbuch. Zum Beispiel hätte er einen von mehreren Geschäftsfreunden anrufen und sich einen empfehlen lassen können. Doch sein Instinkt sagte ihm, dass er in diesem Stadium möglichst jeden Kontakt zu Bekannten meiden sollte.
Er war mit dem ersten Zug von Zürich nach Wien gefahren, war in ein kleines Hotel marschiert und hatte glücklicherweise auch ohne Reservierung ein Zimmer bekommen. Eingetragen hatte er sich unter dem Namen Robert Simon, einem der Decknamen seines Bruders. Als er seinen Pass vorlegen musste, hatte sich kurz sein Puls beschleunigt, doch anscheinend sah er absolut echt aus. Ein bisschen angestoßen, mit einigen Stempeln, wie ein paar Jahre alter Pass eben aussieht.
Dann hatte er im Branchenbuch nach einem Privatdetektiv gesucht, der - soweit man das anhand einer Anzeige überhaupt beurteilen konnte - einen einigermaßen seriösen Eindruck machte. Im ersten Gemeindebezirk, im Herzen der Stadt, wo auch
Weitere Kostenlose Bücher