Das Sigma-Protokoll
an? Ein paar fanatische Israelis. Die erledigen das akkurat und sauber. Hinterher gibt’s ein bisschen Geschwafel von Gespenstern des Zweiten Weltkriegs, unerklärlicher Rachefeldzug, blablabla. Die Ärsche der alten Garde sind wieder im Trockenen, und alle sind glücklich.«
Ja, dachte sie grimmig. Alle sind glücklich.
»Ist doch ganz einfach: Wir brauchen beide Ben Hartman. Sie wollen eine Mordserie aufklären, und wir wollen eine Serie von Sicherheitslöchern stopfen. Ich will Sie erst gar nicht mit irgendwelchen Mutmaßungen langweilen. Meiner Meinung nach ist es sehr wahrscheinlich, dass die gleichen Leute, die ihn angeheuert haben, ihn auch aus dem Weg schaffen wollen. Das Problem mit Säuberungsaktionen ist, dass man nie fertig wird.«
Säuberungsaktion... War das nicht auch eine treffende Beschreibung ihrer Aufgabe?
Ostrow schien zu merken, dass Anna nicht ganz überzeugt war. »Wir müssen einfach wissen, was hier gespielt wird.«
»Haben Sie was Schriftliches?«, fragte Anna.
Ostrow tippte mit einem Finger auf ein paar zusammengeheftete Blätter. Die fette Überschrift über einem Absatz konnte Anna entziffern: Die Überführung eines in Gewahrsam befindlichen amerikanischen Staatsbürgers. »Der Papierkram ist erledigt, jetzt brauche ich nur noch die Person dazu. Jack Hampton sagt, Sie verstehen sich auf so was.«
»Wie haben Sie sich die Übergabe vorgestellt?«
»Nun ja, es sind da einige heikle Punkte bezüglich der Exterritorialität zu beachten.«
»Was heißt, dass ich ihn nicht in dieses Büro bringen kann.«
»Exakt. Aber dafür machen wir Hausbesuche. Sie legen ihm die Eisen an und geben das vereinbarte Zeichen, und schon rückt die Kavallerie an. Wenn Sie völlig außen vor bleiben wollen - auch kein Problem. Sie nennen uns Zeit und Ort - am besten irgendwo außerhalb, nicht zu abgelegen, und dann...«
»... erledigen wir den Rest«, sagte Yossi mit düsterer Stimme.
»Wie die Cowboys. Das gefällt euch, was?«, sagte Anna.
»Cowboys mit luftgepolsterten Sätteln«, meinte Ostrow sarkastisch. »Klar, wenn es sein muss, organisieren wir auch eine Entführung. Eine saubere Operation. Wie bei einem guten Chirurgen.«
»Chirurgen schneiden ins Fleisch.«
»Nicht zu viel drüber nachdenken. Wir tun das Richtige. Und wir erledigen beide unseren Job.«
»Danke für den Rat«, sagte Anna und verzog das Gesicht.
»Ich hab noch einen.« Ostrow gab ihr ein Blatt Papier mit
den Abflugzeiten für die Strecken Wien - Washington und Wien - New York. »Der Zeitfaktor ist von entscheidender Bedeutung.«
In einem dunklen Büro im ersten Stock eines Hauses in der Wallnerstraße knallte der Privatdetektiv Hans Hoffmann laut fluchend den Telefonhörer auf die Gabel. Es war zehn Uhr morgens, und er hatte schon viermal vergeblich versucht, den Amerikaner in seinem Hotel zu erreichen. Auf seine Nachricht vom Vorabend hatte er keine Antwort erhalten. Der Hotelportier hatte keine andere Telefonnummer von Hartman und wollte ihm auch nicht sagen, ob er die Nacht im Hotel verbracht hatte.
Hoffmann musste den Amerikaner sofort sprechen.
Es war dringend. Er hatte Hartman einen falschen und gefährlichen Tipp gegeben. Was immer die Leute über Hans Hoffmann auch sagen mochten, keiner konnte behaupten, er sei skrupellos. Es war lebenswichtig, dass er Hartman erreichte, bevor er sich mit Jürgen Lenz traf.
Was der Detektiv gestern am späten Nachmittag herausgefunden hatte, war nichts weniger als eine Sensation. Die Routinenachfragen, die er bezüglich Jürgen Lenz angestellt hatte, waren äußerst überraschend gewesen.
Hoffman wusste zwar, dass Jürgen Lenz kein praktizierender Arzt mehr war, aber er hatte in Erfahrung bringen wollen, warum er nicht mehr praktizierte. Zu diesem Zweck hatte Hoffmann die Ärztekammer um eine Kopie seiner Zulassung gebeten.
Es gab keine Zulassung für Jürgen Lenz.
Es hatte nie eine existiert.
Laut offizieller Biografie, die das Büro der Lenz-Stiftung jedem Interessierten gerne überließ, hatte Lenz sein Medizinstudium in Innsbruck absolviert und abgeschlossen.
Tatsächlich war Jürgen Lenz nie Medizinstudent in Innsbruck gewesen.
Die Neugier trieb Hoffmann in die Universität Wien, wo die Zulassungsunterlagen aller in Österreich approbierten Ärzte verwahrt werden.
Nichts.
Hans Hoffmann hatte seinem Kunden den Namen und die Adresse eines Mannes besorgt, dessen Biografie gefälscht war. Irgendetwas lief hier fürchterlich falsch.
Hoffmann hatte seine im Laptop
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