Das Sigma-Protokoll
abgespeicherten Notizen noch mal genau überprüft und versucht herauszufinden, ob die recherchierten Fakten irgendeinen anderen Sinn ergaben. Jetzt saß er wieder vor seinem Computer, starrte auf den Bildschirm und überprüfte ein weiteres Mal, ob ihm bei den herangezogenen Quellen ein Fehler unterlaufen war, der das merkwürdige Ergebnis erklären würde.
Ein lautes Summen riss ihn aus den Gedanken. Jemand stand unten an der Haustür. Hoffmann ging zur Gegensprechanlage, die an der Wand neben der Bürotür befestigt war.
»Ja?«
»Ich würde gern mit Herrn Hoffmann sprechen.«
»Und?«
»Mein Name ist Leitner. Ich hätte etwas sehr Wichtiges mit Herrn Hoffmann zu bereden.«
»Worum geht es?«, fragte Hoffmann. Hoffentlich kein Handelsvertreter.
»Eine vertrauliche Angelegenheit, bei der ich seine Hilfe benötige.«
»Kommen Sie hoch. Erster Stock.« Hoffmann drückte auf den Knopf, der das Schloss der Haustür elektronisch entriegelte.
Er speicherte die Lenz-Datei ab, schaltete den Laptop aus und öffnete die Bürotür.
Ein Mann in schwarzer Lederjacke stand vor der Tür. Er hatte stahlgraues Haar, einen Schnauzer und einen Knopf im linken Ohrläppchen. »Herr Hoffmann?«
»Ja?« Wie bei jedem potenziellen Kunden taxierte Hoffmann den Mann und versuchte abzuschätzen, wie viel Honorar er sich wohl leisten konnte. Der Mann hatte ein glattes, faltenloses und auch über den Backenknochen noch straffes Gesicht. Wahrscheinlich kaum älter als vierzig - trotz des grauen Haarschopfs. Er war beeindruckend kräftig gebaut, hatte aber bis auf die ausdruckslosen grauen Augen nichts sagende, unauffällige Züge. Ein seriöser Mann.
»Kommen Sie herein«, sagte Hoffmann freundlich. »Was kann ich für Sie tun?«
Es war neun Uhr morgens, als Anna ins Hotel zurückkehrte.
Nachdem sie die Key Card in den Schlitz über der Türklinke geschoben hatte, hörte sie, dass im Bad das Wasser lief. Sie schlüpfte schnell hinein, hängte den Mantel in den Schrank hinter der Tür und ging ins Schlafzimmer. Sie hatte eine wichtige Entscheidung zu treffen. Und dabei konnte sie sich einzig auf ihre Intuition verlassen.
Das Wasser in der Dusche wurde abgedreht, und kurz darauf stand Ben tropfnass mit einem Badetuch um die Hüfte in der Badezimmertür. Früher hätte eine derart perfekte, muskulöse Figur auf körperliche Arbeit schließen lassen. Heutzutage war sie das Ergebnis eines privilegierten Lebens mit Privattrainer und regelmäßiger sportlicher Betätigung. Mit klinischem Blick begutachtete Anna die offenkundigen Früchte dieser Lebensführung: Waschbrettbauch, Brustmuskeln, die wie Brustpanzer aussahen, geschwungener Bizeps. Das Wasser perlte von der gebräunten Haut. An der Stelle, wo der Schulterverband gewesen war, glänzte ein kleiner entzündeter Fleck.
»Ah, schon zurück«, sagte er. »Was Neues?«
»Kommen Sie her. Ich möchte mir mal Ihre Schulter ansehen«, sagte sie. Als er auf sie zuging, spürte sie ein seltsames Ziehen in der Magengegend. Sie fragte sich, ob ihr Interesse rein beruflicher Natur war.
»Ist schon ziemlich verheilt«, sagte sie und fuhr mit dem Finger um die rötliche Stelle. »Den Verband brauchen Sie nicht mehr. Ein bisschen Wundsalbe vielleicht. Ich glaube, bei dem Verbandszeug in meinem Koffer ist welche dabei. Augenblick.«
Als sie zurückkam, hatte er sich abgetrocknet und Boxershorts angezogen.
»Gestern haben Sie ein paar Andeutungen über die CIA gemacht«, sagte Anna, während sie die Tube aufschraubte.
»Vielleicht liege ich ja falsch damit, ich weiß auch nicht«, sagte
er. »Lenz hat den Verdacht, dass die ihre Finger im Spiel haben. Aber ich kann das einfach nicht glauben.«
Log er? Hatte er ihr gestern Abend Theater vorgespielt? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Es würde ihrer Berufserfahrung oder ihrer Intuition völlig widersprechen. In seiner Stimme war keine Spur von Überheblichkeit oder Anspannung festzustellen, die auf ein Täuschungsmanöver hingedeutet hätten.
Als sie die Salbe einrieb, kamen sich ihre Gesichter sehr nahe. Sie roch Seife, das nach grünen Äpfeln duftende Hotelshampoo und etwas, das leicht lehmig nach Mann roch. Sie atmete tief ein. Doch dann, erschrocken über sich selbst, stand sie abrupt auf.
Versagte vielleicht ihr persönliches Frühwarnsystem, weil andere Gefühle sich einmischten? Das konnte sie sich in ihrer momentanen Lage unter keinen Umständen leisten.
Andererseits war es denkbar, dass die CIA-Beamten einer Fehlinformation
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