Das Sigma-Protokoll
Fingern jeden von Bens Fingern erst über ein Stück Löschpapier und dann sorgfältig über separate quadratische Felder auf einem Formular.
Während dieser Prozedur verließ Schmid den Raum, kam kurz darauf zurück und sagte: »Es liegt kein Haftbefehl gegen Sie vor, Mr. Hartman.«
»So eine Überraschung«, brummte Ben. Seltsamerweise fühlte er sich erleichtert.
»Trotzdem sind noch Fragen offen. Bis die Ergebnisse der ballistischen Untersuchung vorliegen, die vom Wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich vorgenommen wird, werden ein paar Tage vergehen. Klar ist, dass die Geschosse, die wir im ShopVille gefunden haben, Kaliber zweiunddreißig sind.«
»Und?«, fragte Ben unschuldig.
»Die passen zu der Waffe, die wir in Ihrer Reisetasche gefunden haben.«
»Also, was haben Sie bis jetzt?«, sagte Ben und versuchte es auf die direkte Tour. »Die Kugeln stammen zweifelsfrei aus der Waffe, die man in meiner Tasche gefunden hat. Warum untersuchen Sie nicht meine Hände und stellen fest, ob ich die Pistole abgefeuert habe?«
»Die Untersuchung auf Schmauchspuren ist schon erledigt.«
»Und?«
»Ich warte auf das Ergebnis. Muss bald da sein.«
»Und Fingerabdrücke werden Sie auch keine finden.« Gott sei Dank habe ich sie nicht angefasst, dachte Ben.
Der Kommissar zuckte theatralisch mit den Schultern. »Fingerabdrücke kann man abwischen.«
»Was ist mit Zeugen?«
»Die Augenzeugen haben einen gut gekleideten Mann in Ihrem Alter gesehen. Es herrschte Chaos. Fünf Menschen sind tot und sieben schwer verletzt. Sie erzählen uns, dass Sie den Täter getötet haben. Und als wir nachschauen, ist die Leiche verschwunden.«
»Ich habe keine Erklärung dafür«, sagte Ben, dem sehr wohl bewusst war, wie bizarr sich seine Geschichte anhörte. »Offenbar hat man die Leiche entfernt und den Boden gereinigt. Das sagt mir bloß, dass Cavanaugh Helfer gehabt haben muss.«
»Um Sie zu töten.« Schmid schaute ihn finster lächelnd an.
»Sieht ganz so aus.«
»Aber Sie können mir nicht mal ein Motiv anbieten. Kein Streit, nichts.«
»Wie denn auch«, sagte Ben ruhig. »Wir hatten uns seit fünfzehn Jahren nicht gesehen.«
Das Telefon auf Schmids Schreibtisch klingelte. »Schmid.« Er hörte zu und sagte: »Ja, einen Moment.« Dann gab er Ben den Hörer.
Es war Howie. »Ben, altes Haus.« Seine Stimme war so klar, als riefe er aus dem Nebenzimmer an. »Jimmy Cavanaugh, hast du gesagt, stammt aus Homer, New York, richtig?«
»Richtig«, sagte Ben. »Kleines Kaff zwischen Syracuse und Binghamton.«
»Und er war in Princeton in deiner Klasse?«
»Genau.«
»Okay, hier ist die Story. Es gibt keinen Jimmy Cavanaugh.«
»Klar, der Kerl ist mausetot. Erzähl mir was Neues«, sagte Ben.
»Ich meine, es hat nie einen Jimmy Cavanaugh gegeben. Ein Jimmy Cavanaugh hat nie gelebt. Ich habe die Ehemaligenverzeichnisse von Princeton überprüft. Kein Cavanaugh, dessen Vorname oder zweiter Vorname mit J beginnt, hat je in Princeton studiert. Zumindest nicht in dem Jahrzehnt, als du da warst. In Homer haben nie irgendwelche Cavanaughs gelebt. Im ganzen Bezirk nicht. Auch nicht in Georgetown. Dann hab ich den Namen noch durch alle möglichen hochkarätigen Datenbanken
gejagt. Nichts. Wenn es einen Jimmy Cavanaugh gäbe, der auch nur annähernd deiner Beschreibung ähnelt, dann hätte ich ihn erwischt. Hab alle möglichen Buchstabiervarianten durchprobiert. Du kannst dir nicht vorstellen, was die Computer heute draufhaben. Jeder hinterlässt eine Spur wie ein Elefant im Porzellanladen. Kreditkarten, Sozialversicherungsnummer, Militärzeit etc. etc. Der Kerl fällt durch jedes Raster. Ich glaub’s einfach nicht.«
»Irgendwas läuft hier falsch. Ich weiß hundertprozentig, dass er in Princeton eingeschrieben war.«
»Du glaubst, dass er es war. Vielleicht war er es aber gar nicht. Wär doch möglich, oder?«
Ben wurde übel. »Wenn ja, hilft uns das alles nicht weiter.«
»Nein«, sagte Howie. »Ich bleib dran, okay? Wenn du mich brauchst, ruf einfach an.«
Ben legte den Hörer auf. Er war noch wie betäubt, als Schmid seine nächste Frage stellte. »Sind Sie eigentlich geschäftlich oder privat hier, Mr. Hartman?«
Er versuchte sich zu konzentrieren und antwortete, so höflich er konnte: »Skiurlaub, wie gesagt. Ich habe ein paar Bankiers getroffen, aber nur deshalb, weil ich sowieso über Zürich musste.« Es hat nie einen Jimmy Cavanaugh gegeben.
Schmid faltete die Hände. »Zuletzt waren sie vor vier
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