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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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düsteren Zweizimmer-Wohnung in einer lausigen Gegend von Washington und verzichtete auf Urlaub.
    Jeder nahm an, dass sie sich aus dem gleichen Grund gut kleidete, aus dem andere junge alleinstehende Frauen sich schick anzogen: um Männern zu gefallen. Sie lagen falsch. Ihre Kleidung war ein Panzer. Je besser das Outfit, desto sicherer und geborgener fühlte sie sich. Sie benutzte Designer-Kosmetika und trug Designer-Garderobe, weil sie dann nicht mehr die Tochter bettelarmer mexikanischer Einwanderer war, die die Häuser und Gärten reicher Leute in Schuss hielten. So konnte sie sein, was sie sein wollte. Der Verstand sagte ihr zwar, wie lächerlich das eigentlich war. Trotzdem tat sie es.
    Sie fragte sich, was an ihr so viel bittere Verachtung in Arliss
Dupree hervorrief - dass sie eine attraktive Frau war, die ihn hatte abblitzen lassen, oder dass sie Mexikanerin war? Vielleicht beides. Vielleicht war in der Welt, wie Dupree sie sah, eine Amerikanerin mexikanischer Abstammung minderwertig und hatte deshalb nicht das Recht, ihn zurückzuweisen.
    Sie war in einer Kleinstadt im Süden Kaliforniens aufgewachsen. Ihre Eltern hatten Mexiko verlassen, um dem Elend, der Krankheit und der Hoffnungslosigkeit zu entfliehen. Ihre freundliche und sanfte Mutter ging putzen, ihr stiller und in sich gekehrter Vater arbeitete als Gärtner.
    Ihre Mutter nähte die Kleider, die sie in der Grundschule trug, flocht ihre braunen Haare und steckte sie hoch. Ihr war bewusst, dass sie anders gekleidet war, dass sie nicht wie die anderen war. Das machte ihr nichts aus, bis sie zehn oder elf war und die anderen Mädchen Cliquen bildeten, von denen sie ausgeschlossen blieb. Nie würden sie Umgang pflegen mit der Tochter der Frau, die bei ihnen zu Hause putzte.
    Sie war nicht cool - sie war peinlich, sie war eine Außenseiterin. Sie war unsichtbar.
    Dabei gehörte sie nicht zu einer Minderheit - in ihrer Highschool war die eine Hälfte der Schüler Latinos, die andere war weiß, wobei die Grenzlinie nur selten überschritten wurde. Sie gewöhnte sich daran, dass einige von den weißen Jungen oder Mädchen sie »Wetback« oder »Spic« nannten. Auch innerhalb der Latinos gab es Kasten, und sie gehörte der untersten an. Die Latinomädchen legten viel Wert auf ihr Äußeres und machten sich über Annas Kleider auf noch üblere Weise lustig als die weißen Mädchen.
    Die Lösung war in ihren Augen einfach: Sie musste sich so kleiden wie die anderen Mädchen. Deshalb beklagte sie sich bei ihrer Mutter, die sie anfangs nicht ernst nahm und ihr dann erklärte, dass sie sich so teure Sachen nicht leisten könnten. »Wo ist der Unterschied, magst du etwa die Kleider nicht, die ich dir nähe?« Und Anna schrie: »Nein, ich hasse sie!« - obwohl sie genau wusste, wie sie ihre Mutter damit verletzte. Noch heute, zwanzig Jahre später, konnte sie nicht ohne Schuldgefühle daran zurückdenken.
    Ihre Mutter war beliebt bei den reichen Frauen, für die sie arbeitete. Eine dieser reichen Frauen fing an, ihr die abgelegten
Kleider ihrer Kinder zu schenken. Anna trug sie mit Begeisterung. Sie konnte nicht verstehen, warum so schöne Kleider weggeworfen wurden. Nach und nach bekam sie jedoch mit, dass es sich immer um die Mode des letzten Jahres handelte, was ihre Begeisterung deutlich abkühlen ließ. Eines Tages rief ihr aus einer Clique, zu der Anna liebend gern gehört hätte, ein Mädchen zu: »Hey, das ist ja mein Rock, den du da trägst.« Anna errötete und sagte, es sei ihr eigener. Da kam das Mädchen auf sie zu, drehte den Rocksaum um und zeigte den anderen das Etikett, auf dem mit Tinte ihre Initialen geschrieben standen.

    Ein Beamter der RCMP holte Anna vom Flughafen ab. Sie wusste, dass er auf der FBI-Akademie ein Jahr lang Ermittlungsmethoden bei Mordfällen studiert hatte. Er war kein Überflieger, hatte man ihr gesagt, aber brauchbar.
    Hinter der Absperrung wartete er auf sie - ein großer, gut aussehender Mann in den Dreißigern, der einen blauen Blazer mit roter Krawatte trug. Er lächelte sie strahlend an und schien sich ehrlich zu freuen, sie zu sehen. »Willkommen in Nova Scotia«, sagte er. »Ich bin Ron Arsenault.« Dunkles Haar, braune Augen, hohle Wangen, hohe Stirn.
    »Anna Navarro«, sagte sie und schüttelte ihm kräftig die Hand. Männer rechneten bei Frauen mit einer Hand, die sich anfühlte wie ein toter Fisch. Deshalb drückte sie immer so fest wie möglich zu, um von Anfang an klar zu stellen, dass man ihr nicht auf der Nase

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