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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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letzten vier Jahre.
    Das Telefon klingelte.
    Es war Sergeant Arsenault. »Ist Ihnen halb elf morgen früh recht für den Besuch bei der Witwe?« Im Hintergrund hörte sie das geschäftige Treiben eines Polizeireviers am Abend.
    »Okay, wir treffen uns dann vor dem Haus«, sagte Anna knapp. Sie schwankte, ob sie ihm von dem Lincoln und ihrem Rendezvous mit dem Tod erzählen sollte, entschied sich aber dagegen, weil sie fürchtete, das könnte ihre Autorität schmälern. Sie fürchtete, er könnte meinen, sie sei verletzlich und ängstlich und ließe sich zu leicht ins Bockshorn jagen.
    »Also dann«, sagte Arsenault, dem noch etwas auf dem Herzen zu liegen schien. »Tja, ich werde mich dann auch auf den Heimweg machen. Sie haben wohl nicht Lust... Ich komme sowieso an ihrem Hotel vorbei... Wenn Sie also doch noch einen Happen essen wollen...« Er versuchte einen entspannten Ton anzuschlagen. »Oder vielleicht auf einen Schlummertrunk ausgehen wollen?«

    Anna antwortete nicht sofort. Eigentlich wäre ihr etwas Gesellschaft jetzt ganz recht gewesen. »Danke für das Angebot«, sagte sie schließlich. »Aber ich bin wirklich müde.«
    »Ja, ich auch«, sagte er schnell. »War ein langer Tag. Also, bis morgen dann.« Sein Tonfall hatte sich fast unmerklich geändert. Zuletzt hatte nicht mehr der Mann mit der Frau, sondern der Polizist mit der Kollegin gesprochen.
    Als sie auflegte, spürte sie ein leichtes Gefühl der Leere. Dann zog sie die Vorhänge zu und nahm sich die Unterlagen vor. Sie hatte noch jede Menge zu tun.
    Der Grund, warum sie noch nicht verheiratet war oder sich immer wieder zurückgezogen hatte, wenn eine Beziehung zu ernst zu werden drohte, war, dass sie die Kontrolle nicht verlieren wollte. Wenn du heiratest, musst du dich vor jemandem verantworten. Wenn du etwas kaufen willst, musst du dich rechtfertigen. Du kannst abends nicht länger arbeiten, ohne dich gleich schuldig zu fühlen, ohne dich dafür entschuldigen zu müssen, ohne vorher darüber zu verhandeln. Deine Zeit wird nicht mehr von dir allein verwaltet.
    Weil sie nur selten mit jemandem ausging, nannten sie die Kollegen, die sie nur oberflächlich kannten, hinter ihrem Rücken »Eiserne Jungfrau« und wahrscheinlich noch Schlimmeres. Nicht nur Dupree. Die Menschen mochten es einfach nicht, wenn sich eine attraktive Frau ihre Unabhängigkeit bewahrte. Es brachte ihre Auffassung von der natürlichen Ordnung der Dinge durcheinander. Sie wollten einfach nicht begreifen, dass sie durch und durch ein Workaholic war, lieber für sich allein blieb und außerdem sowieso keine Zeit für Männer hatte. Die einzigen Männer, die sie kannte, waren die Kollegen im OSI. Und mit einem Kollegen auszugehen, konnte schnell Schwierigkeiten bringen.
    Zumindest glaubte sie das. Obwohl sie den Vorfall aus der Highschool, der sie immer noch belastete, so gut es ging, verdrängte, dachte sie dennoch fast täglich voller Hass an Brad Reedy. Wenn ihr in der U-Bahn der Zitrusduft des Eau de Cologne in die Nase stieg, das damals auch Brad benutzt hatte, verkrampfte sich ihr Herz vor Angst und Zorn. Und wenn sie auf der Straße einen großen blonden Teenager in rot-weiß gestreiftem Poloshirt sah, musste sie unwillkürlich an Brad denken.

    Sie war sechzehn gewesen und körperlich schon eine erwachsene Frau. Obwohl sie sich dessen noch nicht voll bewusst war oder es nicht glauben wollte, war sie eine Schönheit. Viele Freunde hatte sie immer noch nicht, doch sie fühlte sich nicht mehr wie eine Ausgestoßene. Fast täglich kam es zum Streit mit ihren Eltern, weil sie das Leben in dem winzigen Haus nicht mehr aushielt. Sie fühlte sich wie eingesperrt, glaubte zu ersticken.
    Brad Reedy ging in die Abschlussklasse, war Mitglied des Eishockeyteams und gehörte deshalb zur Aristokratie der Schule. Anna war eine Klasse unter ihm und konnte es nicht glauben, als Brad Reedy - der Brad Reedy - sie eines Morgens vor dem Unterricht fragte, ob sie mal mit ihm ausgehen würde. Erst glaubte sie an einen Scherz, an eine Wette oder so was, machte eine spöttische Bemerkung und wandte sich ab. Schon damals versteckte sie sich hinter einem Schutzschild aus Sarkasmus.
    Doch er ließ nicht locker. Sie wurde rot, war wie betäubt, stammelte schließlich ja sicher, warum nicht.
    Brad bot ihr an, sie von zu Hause abzuholen, doch der Gedanke, dass er das bescheidene Haus ihrer Eltern sah, war ihr unerträglich. Also gab sie vor, dass sie in den nächsten Tagen ohnehin einiges in der Stadt zu

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