Das silberne Schiff - [Roman]
hielt den Kopf hoch, drehte ihn, die Nüstern gebläht und die Ohren gespitzt. Eine Windböe zerzauste das feine Halsfell und die weißen Büschel an ihren Ohren.
Ein Geheul in hoher Tonlage, dann eine Art tiefes Bellen hallten durch das Tal, gefolgt von zwei weiteren dieser unheimlichen Rufe – ein Rudel unbekannter Tiere, die sich miteinander verständigten.
Liam erstarrte an meiner Seite. »Entferne dich nicht zu weit vom Gleiter«, rief er Kayleen zu.
Kayleen blickte zu uns auf. »Ich habe eine Grenzalarmanlage mitgebracht.«
Liam seufzte, schaffte es jedoch, mit ruhiger Stimme weiterzusprechen. »Kayleen, es ist schon spät. Warum sollten wir uns jetzt noch die Mühe machen, die Anlage aufzubauen? Wir sollten heute Nacht im Gleiter schlafen und morgen versuchen, ihn auszurichten.« Weitere Laute von den Hügeln unterstrichen die Dringlichkeit seines Vorschlags.
Sie sah Brise an. »Ich glaube nicht, dass sie drinnen schlafen wird. Außerdem ist der Boden schief. Ich habe Werkzeug dabei, um Holz für einen Stall herzurichten.«
Ich schüttelte den Kopf, während in mir das Gefühl völliger Absurdität immer stärker wurde. Wollte sie uns auf den Arm nehmen? »Wie willst du bis heute Abend einen Stall bauen?« Die Vorstellung, in der stinkenden, schiefen Kabine zu schlafen, behagte mir allerdings auch nicht besonders. Vielleicht konnten wir im Frachtraum Platz schaffen, aber Brise würde auch dort alles vollstinken. Ich verzog das Gesicht. »Große Holzstücke gibt’s nur im Wald, und der ist zu weit entfernt. Lass uns die Alarmanlage aufstellen, und dann lagern wir am Fuß der Rampe.« Ich schloss die Augen, als ich mich für einen kurzen Moment schwindlig und kraftlos fühlte. »Für Brise ist es sicherer, wenn wir sie hineinbringen können, falls irgendwelche Raubtiere kommen.«
Kayleen schien in genau diesem Moment erkannt zu haben, dass wir ihr nicht dabei helfen würden, ein Haus und eine Scheune zu errichten. Sie ließ die Schultern hängen. Dann drückte sie den Kopf in Brises Halsfell. Als sie wieder aufblickte, lächelte sie uns an. »Also gut. Wenn Brise auf diese Weise in Sicherheit ist.«
Liam beugte sich zu mir herüber und murmelte: »Hauptsache, du bist in Sicherheit, damit du uns nach Hause fliegen kannst.«
Kayleen legte den Kopf schief und sagte in leicht spöttischem Tonfall: »Redet ihr schon wieder hinter meinem Rücken über mich?«
Ich trennte mich von Liam und ging die Rampe hinunter zu Kayleen, streckte die Hand nach Brises Führungsleine aus. »Ich werde sie festhalten. Liam kann dir dabei helfen, die Anlage zu holen und den Grenzalarm aufzubauen.« Nur Kayleen konnte das System exakt einstellen, sofern sie nicht das Werkzeug mitgebracht hatte, mit dem Paloma und Gianna und die anderen Mitglieder der Wissenschaftlergilde es machten. Was ich jedoch bezweifelte.
Die beiden verschwanden im Frachtraum. Ich hielt Brise die flache Hand hin und ließ sie daran schnuppern. Sie senkte den Kopf und akzeptierte mich, aber nur für den Moment. Gleich darauf prüfte sie wieder die Luft auf unvertraute Gerüche und spitzte die Ohren. Ihre Haut zuckte unbehaglich, und sie tänzelte leicht, sobald ein Vogel zwitscherte oder die Tiere in den Hügeln riefen. Brise war ein Beutetier. Ich fühlte mich an diesem fremdartigen Ort voller unbekannter Gefahren genauso verletzlich wie sie.
Jetzt war ich ganz allein mit dem jungen, verängstigten Gebra.
Wir würden es irgendwie schaffen, nach Jini zurückzukehren. Uns blieb gar keine andere Wahl.
Tränen tropften warm und feucht auf meine Hände. Ich ließ es zu, dass sich meine Frustration auf den rauen, felsigen Boden von Islandia ergoss.
Als die Sonne schließlich über dem Horizont tanzte, hatten wir einen passablen Grenzalarm installiert. Drahtlose Geräte hingen an Metallpfosten und sicherten mehrere hundert Quadratmeter Gelände.
Aus dem Frachtraum der Brennenden Leere hatten wir drei Pritschen, ein großes Zelt und Küchenutensilien geholt. Die Pritschen stammten aus Artistos, das Zelt und die silbern schimmernden leichten Schlafdecken aus der Höhle. Vielleicht benutzten wir gerade dieselben Sachen, mit denen unsere genetischen Eltern vor Artistos ihr Lager aufgeschlagen hatten, sowohl vor als auch während des Krieges. Diese Vorstellung spendete allerdings nur wenig Trost.
Liam trieb einen Pfosten in den Boden und band Brise daran fest. Sie fraß von der Grasernte des letzten Sommers und blickte immer noch regelmäßig auf. Aber
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