Das silberne Schiff - [Roman]
aus.«
Vielleicht. Aber ich fühlte mich nicht so. Ich war einfach nur völlig erschöpft. Ich erwiderte ihr Lächeln, erfreut über das Kompliment und erleichtert, dass sie nicht sah, wie müde ich in Wirklichkeit war. Im Gegensatz zu Bryan. Obwohl sein Gesicht noch nicht verheilt war und er ein Bein nachzog, griff er nach mir, um mich zu stützen. »Lasst uns gehen.«
Wann würden wir ins Schiff zurückkehren? Jenna hatte nicht gesagt, dass ich irgendetwas mitnehmen sollte, aber ich wollte das Tagebuch meines Vaters bei mir haben. Ich steckte mir den Datenspeicher in die Hosentasche und griff nach dem Schmuck meiner Mutter. Verstaute ihn sicher in einer großen Tasche im Pilotenmantel, bevor ich ihn überzog. Eines Tages wollte ich Chelo den Schmuck geben.
Wir kehrten in die Kommandozentrale zurück, wo Jenna auf und ab ging. Sie trug eine hellgrüne Hose, schwarze Stiefel und ein weites goldfarbenes Hemd. Den leeren Ärmel hatte sie nach innen gesteckt. Die Kleidung verbarg ihre Narben und ihre Kraft. Natürlich konnte sie nichts an ihrem Gesicht ändern, aber sie hatte ihr Haar gestutzt und es so gekämmt, dass mehr von ihrer guten Gesichtshälfte als von ihrer schlechten zu sehen war. Eine hellblaue Perlenkette lag auf ihrer Brust, und dazu passende Ohrringe glitzerten unter dem kurzen Haar mit den Silberstreifen. Sie legte eine Hand auf die Kette. »Mein Datenzugang.« Unruhig trat sie von einem Bein auf das andere. »Gehen wir.«
Moment. Da war noch etwas. »Hast du von Tiala gehört? Hat die Raumhafenverwaltung noch etwas gesagt?«
»Die Raumhafenverwaltung hat Tiala den Zutritt verweigert. Also werden wir zu ihr gehen müssen. Sonst gab es keine neuen Nachrichten von der Verwaltung. Aber es gibt ein Empfangskomitee.« Sie warnte uns erneut, als hätten wir es nicht schon einmal von ihr gehört. »Vergesst nicht, dass ihr kein Wort sagen sollt, solange ich euch nicht dazu auffordere. Und lasst nicht zu, dass sie uns voneinander trennen.«
Wir folgten ihr zum Lift. Bislang hatten wir ihn nie benutzen dürfen, aber vielleicht war er nur für die Zeit gedacht, die sich das Schiff am Boden befand. Oder wollte sie vermeiden, dass ihre Kleidung verschmutzt wurde? Ich musste ein Lachen unterdrücken.
Wir traten im untersten Deck aus der Kabine und standen nun vor der geschlossenen Außentür. Jenna drehte sich um und suchte meinen Blick. »Ganz gleich, was irgendwer sagt, du hast deine Sache gut gemacht.« Dann betrachtete sie uns alle. »Und zumindest vorläufig seid ihr alle Mitglieder der Familie der Erkunder. Damit gehört ihr zu mir, unabhängig davon, in welcher Verfassung sich diese Gruppe befindet. Habt ihr verstanden?«
Wir alle nickten. Alicia nahm meine Hand und drückte sie. Ihre Finger fühlten sich kühl und trocken an. Bryan reckte die Schultern und sah besorgt aus. »Bringen wir es hinter uns.«
Jenna sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und wandte sich dann der Tür zu. Ich tauchte wieder in die Datenströme ein und befahl der Neuen Schöpfung , die Tür zu öffnen und die Rampe auszufahren.
Silberheim schlug mir entgegen.
Unvertrauter Informationslärm prasselte auf mich ein, zerrte an meinen ohnehin erschöpften Nerven und ließ meine Muskeln zucken. Die Daten verlangten nach Aufmerksamkeit. Tausende, nein, Millionen, Abermillionen Kommunikationen, ein lautes Geplapper, das noch stärker war als das, was ich während der Verbindung mit Marcus empfunden hatte. Offenbar war ausgefiltert worden, was mir Angst machte. Jetzt gefährdete das Chaos meine Konzentrations- und Denkfähigkeit. Ein Gewirr aus Verbindungen zwischen Fäden, die sich bildeten, erloschen und neu bildeten, Statusmeldungen von Dingen, die mir nichts sagten, Informationsstrukturen, die so komplex waren, dass sie sich wie etwas Lebendes bewegten. Ich stolperte gegen Bryan, der vor Schmerz aufstöhnte und nach mir griff, ohne meinen Sturz aufhalten zu können. Ich machte dicht, schottete mich gegen den Lärm ab. Als meine Kopfschmerzen nachließen, stellte ich fest, dass ich mich auf dem Boden zusammengerollt und die Hände um den Kopf geschlungen hatte.
Eine Zeitspanne von zehn Atemzügen verging.
Ich blickte auf. Verschwommen sah ich, dass Jenna mich anstarrte. »Das tut mir leid«, sagte sie. »Alles wieder in Ordnung? Ich hätte wissen müssen, wie diese Welt auf dich wirkt.« Sie griff nach meiner Hand, und Alicia nahm die andere – eine raue und eine sanfte Hand.
Ich atmete und konzentrierte mich auf
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