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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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gesehen hatte – flatterte über ihrem Kopf, in engen Kreisen und hell zwitschernd.
    Schließlich gingen wir zu ihnen, und ich hörte Schluchzen unter dem Vogelgezwitscher. Beide Frauen weinten, ihre rauen Stimmen vermischten sich voller Freude, Sorge und Sehnsucht. Ich hatte Jenna noch nie weinen sehen, nicht einmal wenn sie von Menschen gejagt wurde, die sie töten wollten, nicht einmal während unseres kurzen Freiheitskampfs auf Fremont. Niemals. Ihre Schultern zitterten, die eine kräftig, die andere verstümmelt. Das winzige Stück ihrer Wange, das unter Tialas Hand zu erkennen war, schimmerte tränenfeucht. Ihr Atem ging in knappen, keuchenden Stößen. Ihr Arm lag um Tialas Rücken, ein kräftiger Arm, dessen Haut unter der sterilen Beleuchtung in der Neuen Schöpfung weiß geworden war.
    Der Vogel flatterte jetzt in weiteren Kreisen über ihnen. Alicia starrte darauf, den Mund vor Ehrfurcht geöffnet. Sie nahm Bryans und meine Hand, stellte sich zwischen uns und flüsterte: »Er ist wunderschön. Unglaublich hübsch.«
    Ich zog sie näher an mich heran. »Nicht so hübsch wie du.« Schon seine Stimme verkündete, dass er allein der Schönheit wegen existierte, schon das Auf und Ab des Fluges war angenehm, während er den Eindruck machte, wegen Jennas Rückkehr verwirrt zu sein. Es klang, als würden bunt gefiederte Glocken über uns fliegen.
    Tiala und Jenna waren gleich groß, aber Tiala sah ein wenig älter als Alicia aus. Ihr dunkles Haar wurde hinter ihrem Rücken von einer silbern schimmernden Spange zusammengehalten. Sie trug einen einfachen grasgrünen Kittel, der mit winzigen gelben und orangefarbenen Blättern verziert war. Selbst mit geröteten Augen war sie atemberaubend. Viel schöner als alle Frauen auf Fremont, mit glatter, makelloser Haut und fast vollkommenem Haar. Sie hielt Jenna so fest an sich gedrückt, als wollten sie sich nie mehr voneinander lösen.
    Als wir den zwei Frauen näher kamen, murmelte Tiala immer wieder: »Armes Baby, armes Baby.« In ihren Worten lag kein Mitleid, sondern nur Schicksalsergebenheit. Es dauerte eine ganze Weile, bis die beiden überhaupt bemerkten, dass wir neben ihnen standen und den Vogel mit offenem Mund bestaunten.
    Als sie sich schließlich trennten, wischte sich Tiala mit den Händen über die feuchten Augen, sah Jenna an und lachte trotz ihrer Tränen. »Ich bin so froh, dass du wieder zuhause bist.«
    Ich atmete aus und war erleichtert, dass sich ihre gemeinsamen Tränen zum Teil in Lachen aufgelöst hatten.
    Tiala schien unser Erstaunen über den Vogel zu bemerken. »Glocke«, rief sie. »Komm!«
    Der Vogel setzte sich auf ihre Schulter, und seine Schwanzfedern reichten Tiala fast bis zur Hüfte.
    Jenna trocknete sich mit dem Ärmel ihres goldenen Hemdes das Auge und die Wange. Sie drehte sich um, als wollte sie uns vorstellen, dann stutzte sie und blinzelte in die Spätnachmittagssonne – in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
    Und dann hörte ich, was Jenna offensichtlich zuerst gehört hatte – das leise Summen eines Gleiters. Jenna blickte sich zu Tiala um, die nur mit den Schultern zuckte.
    Jennas Haltung veränderte sich ein wenig. Sie stellte die Beine auseinander und bog leicht die Knie durch, wie sie es machte, wenn sie auf der Jagd nach Djuri Ausschau hielt. Meine Wachsamkeit wurde geweckt. Kam die Raumhafenverwaltung, um uns zu holen?
    Alicia griff nach meiner Hand, und ich drückte sie, um einen Halt in der Wirklichkeit zu haben. Dann öffnete ich mich ein wenig und las die Daten, die uns umschwirrten. Hier draußen, wo es viele freie Flächen gab, war der Ansturm sicherlich nicht so stark.
    Irrtum.
    Daten schossen durch den kleinen Spalt, den ich geschaffen hatte, als hätten tausend Schlangen in der Luft geschwebt und sich plötzlich auf mich gestürzt. Ich tastete kurz nach dem Gleiter und suchte nach einer Identifikation, bis mir schwindlig wurde. Als ich meine Sinne wieder verschloss, schmeckte ich eine vertraute Energie inmitten der tosenden Wasserfälle der Daten von Silberheim.
    Ich erstarrte.
    Marcus.

Kapitel 16
    Marcus

    Nachdem ich Marcus in der Datenflut wiedererkannt hatte, schlug ich sofort sämtliche Türen meines Geistes zu und verriegelte sie. Mein Magen hob sich, und meine Hände zitterten, während ich beobachtete, wie sein Gleiter neben unserem landete. Er war ausgefallener als das, was Ming für uns geordert hatte: ein großer silberner Käfer mit fünf Beinen und Kugelkopf.
    Alicia umklammerte meine Hand.

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