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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Liams unausgesprochene Frage ein, sondern wandte mich an Kayleen. »Du hast recht. So geht es nicht, zumindest nicht für längere Zeit. Aber wir haben den Gleiter, den Heimflug noch nicht aufgegeben.«
    Ich wartete, bis sie meine Worte verdaut hatte. Sie beobachtete mich vorsichtig und hoffnungsvoll.
    »Wie sollen wir zu dritt in Artistos oder in einer Sippe leben?«, fuhr ich fort. »Darüber müssen wir nachdenken.« Insgeheim verfluchte ich mich, weil ich so feige war und der Entscheidung auswich. Aber die Risiken! Was war, wenn wir es versuchten und scheiterten? Wenn wir unsere Freundschaft zerstörten, weil wir mehr angestrebt hatten?
    Liam hockte im Schneidersitz da, das Kinn auf eine Faust gestützt, und sein Zopf fiel ihm über die Schulter. Ich hatte Akashi mehr als einmal in der gleichen Pose gesehen. Liam klang sogar ein bisschen wie sein Vater. »Auch ich habe darüber nachgedacht. Das haben zweifellos wir alle getan.« Er sah uns an, und wir beide nickten. »Wenn wir drei zu einer Familie werden, mehr als wir es jetzt sind …« Er errötete, und ich spürte, wie auch meine Wangen warm wurden. »… nun, das ist eine faszinierende Vorstellung, und vielleicht würde es sich eines Tages umsetzen lassen.«
    Kayleens Augen leuchteten, als hätte die Antwort ihr neue Hoffnung gegeben.
    Liam schien es ebenfalls gesehen zu haben. Er schüttelte den Kopf. »Kayleen«, sagte er und wartete, bis er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. »Kayleen, ich bin dazu noch nicht fähig. Nicht bis wir … bis wir heimgekehrt sind oder entschieden haben, dass wir nicht heimkehren können.«
    Sie zuckte zusammen, warf mir einen schnellen Blick zu, während ein schmerzhafter Ausdruck über ihr Gesicht huschte. Dann sah sie ihn wieder an. Ich hatte seine Antwort verstanden. Sie auch?
    Sein Blick entspannte sich, als sie auf seine nächsten Worte wartete. »Ich … ich habe dich vorher gar nicht gekannt. Und noch vor kurzem war ich sehr sauer auf dich.«
    Sie nickte.
    »Jetzt können wir beide zumindest zu Freunden werden. Vielleicht sind wir es schon, nur dass wir nicht auf gleicher Augenhöhe sind, solange du uns als Geiseln festhältst.«
    Kayleen runzelte die Stirn.
    Wenn wir den Gleiter wieder startbereit machen konnten, hatte sie keine Möglichkeit, etwas daran zu ändern. Aber das sprach er nicht aus. Er fügte auch nicht hinzu, dass sie zuerst wieder zur Vernunft kommen musste.
    Kayleens Stimme zitterte. »Ich habe mich schon sehr verändert.«
    Liam sah mich an. »Die Zeit soll es in Ordnung bringen. Ich bin noch nicht bereit.« Also standen er und ich nun oben am Wasserfall und überlegten, wohin wir springen wollten.
    Aber wir mussten noch nicht heute springen.
    Brise scharrte mit den Füßen, und das Feuer knisterte, als wir auseinandergingen, um uns um die kleinen Aufgaben des Lebens zu kümmern. Die Sonne senkte sich herab, Schatten krochen über die Wände, und schließlich füllten sie die gesamte Höhle aus. Wir saßen am Feuer und schwiegen die meiste Zeit. Liam schnitzte sich einen neuen Fischspeer, Kayleen arbeitete an einem größeren Halfter für Brise, und ich starrte auf das dunkle Tal hinaus. Ich saß mit dem Rücken zum Feuer und dachte über die möglichen Verzweigungen unserer Zukunft nach. Ich wollte hier nicht sterben.
    Am nächsten Vormittag schwammen wir durch einen breiten Fluss. Völlig durchnässt beschlossen wir, am nächsten Tag eine bessere Furt zu suchen.
    Gegen Mittag erreichten wir zum ersten Mal den Nordrand von Islandia, das Meer, das den zerklüfteten Zähnen gegenüberlag. Rotsteinklippen, von schwarzen und grauen Streifen durchzogen, stürzten steil ins Wasser, und große blaugrüne Wellen donnerten gegen den Fels. Liam hockte sich auf einen Vorsprung über einer flachen Bucht und blickte zur Steilwand auf der anderen Seite. »Seht ihr die Streifen?«, fragte er.
    »Ja«, sagte Kayleen. »Eruptionen. Abgelagerte Schichten von Vulkanausbrüchen.«
    Ich ließ meinen Blick an der Klippe auf und ab wandern und stellte fest: Es mussten mindestens hundert Eruptionen gewesen sein. Ich schluckte und schaute zum Gebirge zurück, auf die weißen Dampfwolken, die der heiße Atem des Berges waren.
    Wir gingen an den Klippen entlang, während das Krachen der Wellen den Rhythmus unserer Bewegungen vorgab. Vor uns, immer noch weit entfernt, stieg der Dampf vom Meer auf, wo der Feuerfluss auf echtes Wasser stieß. Die weiße Wolke vor dem blauen Himmel änderte ständig ihre Form, sie wand und

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