Das silberne Zeichen (German Edition)
Silberschmiede, das Gemäuer war rußgeschwärzt. Männer, Frauen und Kinder halfen mit vereinten Kräften, um des Feuers Herr zu werden. Eine lange Kette hatte sich bis zum nächsten Brunnen gebildet, über die eifrig volle und leere Eimer hin- und hergereicht wurden.
«Heilige Muttergottes, steh uns bei!», murmelte Marysa entsetzt, als sie näher herankam. Sie umrundete zwei Pferde, von denen eines hoch mit Lasten bepackt war. Offenbar hatte jemand die Tiere einfach hier stehen gelassen, um beim Löschen zu helfen. «Das ist ja entsetzlich.» Wie gebannt starrte sie auf die Verwüstung, die das Feuer an dem ehemals schmucken Gebäude angerichtet hatte. Dabei bemerkte sie nicht, dass einer der Helfer plötzlich stehen blieb und sie überrascht anblickte.
Milo, der sich ebenfalls kaum von dem Anblick abwenden konnte, stieß sie schließlich an. «Herrin, schaut!» Er deutete auf den über und über mit Ruß bedeckten Mann, der eine verkohlte Holzbohle auf der Schulter trug. Diese ließ er nun einfach neben sich zu Boden fallen.
Marysa riss ihren Blick vom Haus los und ließ ihn Milos ausgestrecktem Arm folgen, bis sie den Mann ebenfalls sah. Für einen Moment setzte ihr Herzschlag aus, um dann wie rasend wieder einzusetzen. Sie machte einen Schritt vorwärts.
Christoph ging langsam auf Marysa zu und weidete sich an ihrem Anblick. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er sie vermisst hatte. Als er direkt vor ihr stand, breitete er kurz die Arme aus, schaute an sich herab und ließ sie sogleich sinken.
Auch Marysas Hände zuckten. Wie gerne wollte sie Christoph berühren, ihn umarmen. Der Ruß, der ihn über und über bedeckte, und der scharfe Brandgeruch hielten sie jedoch davon ab. «Du bist hier», sagte sie schließlich etwas lahm.
Christoph lächelte kläglich. «Noch nicht sehr lange. Ich war auf dem Weg zu dir, als mir dieses Feuer in den Weg kam.» Er warf einen Blick über die Schulter zur Unglücksstelle, dann wandte er sich an Milo. «Bring deine Herrin nach Hause. Dies ist kein Ort für sie.» Dann lächelte er Marysa erneut zu. «Sobald ich etwas präsentabler aussehe, komme ich nach.»
***
Nervös wanderte Marysa in ihrer Stube auf und ab. Sie hatte überlegt, nach ihren Eltern schicken zu lassen, sich dann jedoch dagegen entschieden. Stattdessen hatte sie Balbina und Imela angewiesen, ein gutes Abendessen vorzubereiten, und ihren Gesellen für den Abend freigegeben. Heyn war ihnen auf dem Heimweg von der Silberschmiede begegnet – rußgeschwärzt wie alle Brandhelfer, denen er sich spontan angeschlossen hatte, als er des Feuers gewahr geworden war.
Nun wartete Marysa ungeduldig darauf, dass Christoph endlich erschien. Die Vesperglocken hatten schon vor mehr als zwei Stunden geläutet, inzwischen war es dunkel geworden. Je mehr Zeit verging, desto unruhiger wurde Marysa. Schließlich zwang sie sich dazu, sich auf die Bank am Esstisch zu setzen und eine Flickarbeit in die Hand zu nehmen. Mehr als zwei, drei Stiche führte sie nicht mit der Nadel aus. Sie hasste Handarbeiten. Und sie hasste das ewige Warten.
Als Grimold ihr schließlich mit einem vieldeutigen Blick meldete, dass Christoph Schreinemaker sie zu sehen wünsche, saß sie mit hochgezogenen Schultern auf ihrem Platz. Mühsam beherrscht bat sie ihn, den Besucher vorzulassen. Grimold blickte sie etwas überrascht an, trat jedoch beiseite, um Christoph eintreten zu lassen, und schloss dann hinter ihm diskret die Tür.
Einen langen Augenblick sahen sie einander nur an. Marysa brachte zunächst keinen Ton heraus. Christoph hatte sich kaum verändert. Hochgewachsen und breitschultrig stand er vor ihr. Die prächtigen Zunftkleider, die er angelegt hatte, wirkten an ihm jedoch wesentlich beeindruckender als das Dominikanerhabit, das sie bisher immer an ihm gesehen hatte. Die dunklen Bartschatten um sein Kinn betonten die kantige Form seines Gesichts.
Etwas steif erhob sie sich und trat einen Schritt auf ihn zu. Sie wusste selbst nicht, weshalb sie ihm nicht sofort um den Hals fiel. Anstelle der Nervosität von vorhin war plötzlich ein Gefühl heftiger Wut getreten. Sie zog die Augenbrauen zusammen. «Wo warst du?»
Christoph, der gerade Anstalten hatte machen wollen, sie in seine Arme zu ziehen, hielt mitten in der Bewegung inne und sah sie überrascht an. Das zornige Funkeln in ihren Augen entging ihm nicht. «In der Herberge Zum tanzenden Bären », sagte er ruhig. «Es hat eine Weile gedauert, bis ich den ganzen Ruß heruntergewaschen
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