Das silberne Zeichen (German Edition)
Beutel, in dem es gesteckt hatte, aus der Gästekammer.
Noch lange betrachtete sie es im flackernden Lichtschein und überlegte, was es damit auf sich haben mochte.
19. KAPITEL
Es war so einfach gewesen – fast zu einfach!
Bedächtig wischte er die letzten Blutreste von der Klinge des kleinen Dolches. Seine kurze Reise hatte sich wirklich ausgezahlt. Niemand würde den Toten finden, dazu lag das Grab, das er ihm zugedacht hatte, zu tief im Wald versteckt. Ein wenig verärgert betrachtete er die Blasen an seinen Händen. Er war so schwere Arbeit nicht gewöhnt. Normalerweise durfte er weitaus filigranere Gegenstände berühren als die grobe Schaufel, die er von einem Bauernhof entwendet hatte. Aber der Zweck heiligte bekanntlich die Mittel. Er würde einfach ein paar Tage warten, bis er nach Aachen zurückkehrte. Dann würden die Blasen abgeheilt sein, und nichts würde mehr an das kleine Abenteuer erinnern.
Ein Glücksfall war es gewesen, dass er dem Boten auf die Spur hatte kommen können, bevor dieser Frankfurt erreichte. Er hatte ja gewusst, dass er einen guten Grund finden würde, die Stadt zu verlassen.
Fast tat ihm Marysa Markwardt leid. Wenn die Urkunden nicht in absehbarer Zeit in Aachen eintrafen, würde man dem Schreinemaker den Prozess machen, ganz sicher. Weder die Schöffen noch das Marienstift würden länger den Lügengeschichten glauben, die dieser falsche Mönch von sich gab. Und wen scherte es letztendlich, dass der Kerl tatsächlich der Sohn des verstorbenen Tischlers Beatus Schreinemaker gewesen war? Vielleicht würde noch einmal jemand nach Frankfurt geschickt werden, um das zu überprüfen. Aber das ließ sich gewiss irgendwie verhindern. Dafür war es jedoch notwendig, den zweiten Teil seines Planes zu ändern. Er griff nach seiner Geldkatze und blickte prüfend hinein. Zwischen den blinkenden Silber- und Kupfermünzen befanden sich zwei der silbernen Zeichen. Eigentlich hatte er sie irgendeinem Krämer verkaufen wollen, nun würde er sie wohl einem anderen Zweck zuführen.
20. KAPITEL
«Wo Heyn nur bleibt!» Erregt ging Marysa in der Werkstatt auf und ab. «Er ist jetzt schon über eine Woche fort. Hoffentlich gibt es keine Schwierigkeiten in seiner Familie.»
«Sorgen über Sorgen!» Jolánda trat neben ihre Tochter und fasste sie beruhigend am Arm. «Komm, Kind, reg dich nicht auf. Gewiss ist Heyn bereits auf dem Rückweg. Oder vielleicht muss er Vorbereitungen für die Hochzeit seiner Nichte treffen. Dann wäre es nur verständlich, wenn er etwas länger in Kornelimünster bleibt.»
«Von Leynhard haben wir auch noch nichts gehört», murmelte Marysa. «Wäre doch dieser Bote schon wieder hier! Heute Abend findet die Versammlung im Zunfthaus statt – und ich habe rein gar nichts vorzuweisen. Sie lassen mich nicht zu Christoph, bevor van Oenne von seiner Reise zurück ist. Nicht einmal das silberne Pilgerzeichen hat etwas bewirkt. Das ist wohl der Nachteil, wenn Schöffen und Stiftsgericht zusammenarbeiten, das eine Gericht ist ohne das andere handlungsunfähig.»
«Vielleicht kann Bardolf etwas erreichen», versuchte Jolánda Marysa zu trösten. «Er tut wirklich alles, um sich vor dem Rat Gehör zu verschaffen.»
«Ich weiß, Mutter, ich weiß.» Marysa rieb sich über die Augen. Sie fühlte sich erschöpft, da sie seit Tagen nur wenig Schlaf fand. «Wenn wenigstens dieser Jacobus von Moers da wäre. Vielleicht würden sie … Aber er hat die Stadt verlassen – mit unbekanntem Ziel! Kannst du dir das vorstellen, Mutter? Wie kann ein Inquisitor verschwinden, ohne jemandem zu sagen, wohin er geht?»
«Das verstehe ich auch nicht. Vielleicht ist es wegen des Erzbischofs. Man sagt doch, der liege im Sterben.»
«Würde er dann ein solches Geheimnis daraus machen?» Marysa schüttelte den Kopf. «Nein, es muss etwas anderes dahinterstecken. Fast habe ich das Gefühl, alle Welt hat sich gegen uns verschworen!»
«Das ist doch Unfug!», widersprach Jolánda energisch. «Du darfst dich jetzt nicht in die Verzweiflung hineinsteigern. Damit ist niemandem geholfen. Wir sollten …» Ihr Blick fiel auf das Fenster, und ihre Miene hellte sich auf. «Schau, da kommt Bardolf. Vielleicht bringt er uns gute Nachrichten.» Sie öffnete ihrem Mann die Tür.
«Jolánda.» Er berührte kurz ihren Arm und betrat das Haus.
«Gibt es Neuigkeiten?» Hoffnungsvoll blickte Marysa ihm entgegen.
«Ja und nein. Man konnte mir nicht sagen, wohin dieser Jacobus geritten ist … oder man wollte
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