Das silberne Zeichen (German Edition)
«Vor acht Tagen ist er nach Kornelimünster aufgebrochen, nachdem er eine Nachricht von seiner Familie erhalten hat. Ich weiß nicht, wann er wieder zurückkehrt.»
«Wenn er das überhaupt noch einmal vorhat», knurrte Volmer. Die drei Männer sahen einander vielsagend an.
«Kornelimünster sagt Ihr?», hakte van Oenne nach. «Könnt Ihr uns Genaueres sagen?»
Marysa nickte. «Ich kann Euch die Straße nennen, in der Heyns Nichte wohnt.» Sie zögerte. «Ihr glaubt nicht, dass er sich noch dort aufhält.»
«Wenn es stimmt, dass er für die Fälschungen verantwortlich ist, müssen wir davon ausgehen, dass er die Flucht ergriffen hat», bestätigte van Oenne. «Natürlich werden wir sofort jemanden losschicken, der das überprüft.»
«Warum in aller Welt sollte Heyn so etwas tun?», fragte Marysa. «Er ist ein guter Schreinbauer, kein Dieb – und schon gar kein Betrüger! Hat der Höker wirklich seinen Namen genannt?»
«Eindeutig», bestätigte der Domherr. «Offenbar haben die beiden ihren Handel mit ein paar Krügen Wein in einer Schenke in Burscheid besiegelt. Das ist unser Glück, andernfalls hätte der Höker uns den Namen wohl gar nicht nennen können.»
«Ihr hegtet also keinerlei Verdacht gegen Euren Gesellen?», mischte Volmer sich wieder ein. «Hat er sich nicht auffällig verhalten?»
«Nein, gar nicht.» Marysa schüttelte den Kopf. Dann hielt sie plötzlich inne und biss sich auf die Lippen. War Heyn nicht mehrmals ungewöhnlich lange ausgeblieben in der letzten Zeit? Sie hatte sich zwar gewundert, aber nicht länger darüber nachgedacht. Jetzt fiel ihr ein, dass er auch an jenem Tag, da es in van Lyntzenichs Werkstatt gebrannt hatte, länger unterwegs gewesen war. Als Entschuldigung hatte er vorgebracht, dass er beim Löschen geholfen habe.
Man hatte ihn tatsächlich unter den Brandhelfern beobachtet. Doch was, wenn er das Feuer gelegt hatte?
Nachdem sie den Männern stockend davon berichtet hatte, nickten die Schöffen grimmig.
«Das würde passen», sagte van Oenne bedächtig. «Ich danke Euch, Frau Marysa. Bitte nennt uns nun den Wohnort von Heyns Verwandten, damit wir der Sache nachgehen können. Selbstverständlich werden wir Euch umgehend benachrichtigen, wenn wir Heyn gefunden haben.»
«Danke.» Unglücklich senkte Marysa den Kopf.
«Was die andere Sache angeht …», ergriff van Eupen wieder das Wort. «In der Angelegenheit, die Euren Verlobten betrifft, wird das Schöffenkolleg am Dienstag wieder zusammentreten und sich beraten.»
Marysas Herz begann heftig zu pochen. Sie blickte in van Oennes Gesicht. «Ihr habt versprochen abzuwarten, bis mein Bote die Urkunden beschafft hat.»
Der Domherr nickte. «Das habe ich. Und ich versichere Euch, dafür zu sorgen, dass …»
«Ihr tut was?», mischte Volmer sich unwirsch ein. «Ich höre wohl nicht recht! Euch ist doch klar, dass Frau Marysa durchaus ebenfalls in einem nicht von der Hand zu weisenden Betrugsverdacht steht. Ich sehe nicht ein, weshalb wir mit dem Prozess länger warten sollen. Mag ja sein, dass Euer Inquisitor noch nicht wieder in Aachen weilt, aber an seiner Stelle wird sich bestimmt der reguläre Stiftsrichter bereit erklären, den Verhandlungen beizuwohnen.»
Gereizt drehte sich van Oenne zu dem Schöffen um. «Ihr scheint es ja ziemlich eilig zu haben, Meister Volmer. Was nützt Euch ein früher Prozessbeginn, wenn nicht alle Beweise verfügbar sind?»
«Beweise?» Volmer schnaubte. «Wir haben Zeugen, die beschwören, dass es sich bei dem arretierten Mann um jenen Bruder Christophorus handelt, der sich zur Heiltumsweisung anno 1412 bei uns als Ablasskrämer und Inquisitor ausgegeben hat. Das dürfte selbst für Euch Grund genug sein, auf eine schnelle Verurteilung zu drängen. Wer weiß, was das für Urkunden sind, die er uns unterschieben will? Wenn seine Ablassbriefe gefälscht waren, würde es mich nicht wundern, wenn auch jene Dokumente nicht echt sind.»
Irritiert hob der Domherr die Brauen. «Ihr glaubt, die Urkunden über seine Herkunft seien gefälscht?» Er wandte sich an Marysa. «Ihr habt doch einen Boten nach Frankfurt geschickt, der beim Rat vorsprechen soll?»
«Das habe ich», bestätigte Marysa. Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben. «Ich versichere Euch, dass die Urkunden alle echt sind. Ihr werdet doch nicht am Rat der Stadt Frankfurt zweifeln?»
«Falls dieser Bote sich tatsächlich dorthin begibt», knurrte Volmer. «Wer sagt uns denn, dass er in Wahrheit nicht irgendwo bei einem
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