Das Silmarillion
die Aros-Furten und ritt scharf den Weg dahin, den sie vor ihm gekommen waren; doch obgleich sie nicht wussten, dass er sie verfolgte, und obgleich er das schnellste Pferd hatte, bekam er sie nicht mehr zu Gesicht, bis dass sie die Brithiach erreichten und ihre Pferde zurückließen. Da verriet sie ein missgünstiger Zufall, denn ihre Pferde wieherten laut, und Eols Pferd hörte sie undrannte auf sie zu; und von fern sah Eol Aredhels weißes Gewand und merkte sich den Weg, den sie gingen.
Nun kamen Aredhel und Maeglin ans Außentor von Gondolin und zur Dunklen Wache unter den Bergen, und dort wurde Aredhel freudig begrüßt. Nachdem sie die Sieben Tore durchschritten hatte, kam sie mit Maeglin zu Turgon auf dem Amon Gwareth. Da hörte der König nun mit Erstaunen alles an, was Aredhel zu erzählen hatte, und mit Wohlgefallen sah er auf Maeglin, seiner Schwester Sohn, denn würdig schien er ihm, unter die Prinzen der Noldor gewählt zu werden.
»Froh bin ich, dass Aredhel Ar-Feiniel nach Gondolin heimgekehrt ist«, sagte er, »und heller soll meine Stadt wieder scheinen als in den Tagen, da ich sie verloren glaubte. Und Maeglin soll in meinem Reich höchste Ehren genießen.«
Da verbeugte sich Maeglin tief und huldigte Turgon als Herrn und König, dessen Wille ihn leiten solle; darauf aber wurde er still und sah sich aufmerksam um, denn der Glanz und die Pracht von Gondolin übertrafen alles, was er sich nach den Erzählungen seiner Mutter vorgestellt hatte, und er staunte über die Stärke der Befestigungen und die Scharen der Stadtbewohner und die vielen schönen und merkwürdigen Dinge, die er erblickte. Nichts aber zog öfter seinen Blick an als Idril, die Königstochter, die neben ihm saß; denn goldblond war sie wie die Vanyar, ihrer Mutter Geschlecht, und Maeglin erschien sie wie die Sonne, welche die ganze Halle des Königs mit Licht erfüllte.
Eol aber, als er Aredhel folgte, fand den Trockenen Fluss und den Geheimpfad, und wie er so heimlich heranschlich, ergriff ihn die Wache und verhörte ihn. Und als er angab, Aredhel sei sein Weib, waren die Wachen erstaunt undschickten eilends einen Boten in die Stadt, und der trat nun in des Königs Halle.
»Herr«, rief er, »die Wachen haben einen gefangengenommen, der sich ans Dunkle Tor heranschlich. Eol nennt er sich, und er ist ein großer Elb, dunkel und grimmig, vom Geschlecht der Sindar; doch behauptet er, Frau Aredhel sei sein Weib, und er verlangt, dir vorgeführt zu werden. Groß ist sein Zorn, und kaum vermochten wir ihn zu bändigen, doch haben wir ihn nicht erschlagen, weil dein Gesetz es verbietet.«
Da sagte Aredhel: »Wehe, Eol ist uns gefolgt, wie ich befürchtet. Doch gut verborgen muss er gewesen sein, denn als wir den geheimen Weg betraten, haben wir keinen Verfolger gehört oder gesehen.« Dann sagte sie zu dem Boten: »Er spricht die Wahrheit. Er ist Eol, und ich bin sein Weib, und er ist der Vater meines Sohnes. Erschlagt ihn nicht, sondern bringt ihn herbei, damit der König urteile, wenn es ihm so beliebt.«
Und so geschah es. Eol wurde in Turgons Halle gebracht und stand vor Turgons Thron, stolz und verschlossen. Obwohl er nicht minder erstaunt war als sein Sohn über all das, was er sah, war sein Herz nur umso mehr von Wut und Hass gegen die Noldor erfüllt. Turgon aber empfing ihn in Ehren; er erhob sich und wollte ihm die Hand reichen und sagte: »Willkommen, Schwager, denn als solchen betrachte ich dich. Hier sollst du leben, wie es dir beliebt, nur musst du hier bleiben und darfst mein Reich nicht verlassen; denn mein Gesetz will es so, dass keiner, der den Weg hierher findet, wieder fortdarf.«
Eol aber zog die Hand zurück. »Dein Gesetz gilt mir nichts«, sagte er. »Kein Recht hast du oder wer immer aus deinem Geschlecht, in diesem Lande Reiche zu gründenoder Grenzen zu setzen, weder hier noch dort. Dies ist das Land der Teleri, in das ihr Krieg und Unruhe tragt mit eurem stolzen und ungerechten Gebaren. Deine Geheimnisse kümmern mich nicht, und nicht um dir nachzuspüren bin ich gekommen, sondern um zu fordern, was mein ist: mein Weib und meinen Sohn. Doch da auf Aredhel, deine Schwester, auch du ein Recht hast, so mag sie hierbleiben. Soll der Vogel zurück in den Käfig, den er bald wieder leid sein wird, so wie schon einmal. Nicht aber Maeglin! Meinen Sohn darfst du mir nicht vorenthalten. Komm, Maeglin, Eols Sohn! Dein Vater befiehlt dir. Verlass das Haus seiner Feinde und der Mörder unserer Anverwandten, oder sei
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