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Das singende Kind

Das singende Kind

Titel: Das singende Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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der sicher schon sauber gespült im Stapel stand. Kein Blut mehr daran vom saftigen Steak, das ihr Messer zerstückelt hatte. Massaker am toten Fleisch. Nichts essen, was du töten mußt. Trudi spürte, wie sie mit großen Schritten auf Georg zuging. Er konnte keinem etwas zuleide tun.
    Trudi zerriß. Zerriß in Zeitlupe. Das Glas lag zerbrochen auf dem Steinboden, und der Rotwein zog eine Spur zu Trudi. Georg war aufgestanden und um den Tisch herumgegangen, und im ersten Entsetzen hatte Trudi geglaubt, er habe vor, sie zu schlagen.
    »Ich kann keine Kinder zeugen.« Georg sagte es zum zweitenmal, und auch in der Wiederholung war es Trudi, als spräche er in ein tiefes Wasser, und trotzdem verstand sie die Worte ganz klar.
    Er faßte sie an den Schultern und schüttelte sie, und Trudi fing an zu weinen. Es war ein Traum. Ein schlechter Traum in Zeitlupe. Es konnte nicht sein, was er da sagte. Sie war schwanger.
    »Du bist eine Hure«, sagte Georg und hörte auf, sie zu schütteln. Er setzte sich auf die Tischkante und vergrub das Gesicht in den Händen. »Es ist von Jos«, sagte er, »ich weiß, daß es von Jos ist.«
    »Nein«, sagte Trudi und sagte es gleich noch viermal.
    Ihm klang das wie die Schreie, die einer ausstößt, der die Wahrheit nicht zulassen will.
    »Vielleicht irrst du dich«, sagte Trudi vorsichtig, »vielleicht kannst du es ja doch.« Sie legte ihm die Hand in den Schritt.
    »Nein.« Georg kam vom Tisch herunter. »Das ist alles abgeklärt.« Er dachte, daß es Trudi war, die sich irrte, und wurde ruhiger. Scheinschwanger. Trudi war wahrscheinlich scheinschwanger. Schließlich neigte sie zu hysterischen Ausfällen. »Laß uns abwarten, du kriegst schon noch deine Tage.«
    Trudi schüttelte den Kopf und stand auf. Legte die Hand dabei stützend ins Kreuz, als habe ihr Körper schon eine Last zu tragen.
    »Drei Tage drüber«, sagte Georg. »Das heißt nichts. Wir warten die Woche ab.« Er wollte sich Mut machen. Er merkte es selber. Gleich würde er noch eine Vorratspackung Tampons kaufen gehen.
    Trudi ging aus der Küche. Sie hatte Sehnsucht nach ihrem Schrank.
    Georg kam ihr nach. Mit der Schüssel Rote Bete in der Hand, die er in den Kühlschrank stellen wollte. Er trat in den Rotwein und trug ihn auf den schwarzen Teppichboden im Flur. »Vier Tage noch«, sagte er und sah Trudi zwischen den Schranktüren verschwinden. »Vier Tage noch, und dann spreche ich mit Jos.«
    Georg träumte, daß Trudi ein Kind gebar, und er sah sich durch die Schar der Schwestern drängen, die im Kreißsaal standen, und schob sie zur Seite und schaffte es, bei Trudi anzukommen, gerade als sie das Kind herumdrehten, und es war Jos.
    Er zwang sich aus dem Schlaf hoch und tastete nach Trudi. Doch er kriegte nur das Laken zu fassen, das sich kühl anfühlte. Georg griff nach der Uhr. Es war schon sieben, und der Nebel trübte den Tag noch ein.
    Georg stand auf und knöpfte die Schlafanzugjacke zu, ehe er ging, um Trudi zu suchen. Er fand sie am Ende des Flurs. Aus dem Arbeitszimmer kommend. Sie hielt ein Zeitungsfoto in der Hand, das er auf dem Schreibtisch hatte liegenlassen. Es war nichts anderes darauf zu sehen als eine Tasche. Eine Tasche, in die Turnschuhe gehörten. Ein Hemd. Eine kurze Hose. Handtuch. Seife. Doch das war alles nicht in der Tasche gewesen. Nur ein toter Säugling.
    »Ich will wissen, woran du arbeitest«, sagte Trudi und schwenkte das Foto. Ihre Stimme wackelte, als fürchte sie, er sei der Täter.
    »Trostlose Geschichten«, sagte Georg, »nichts für dich«. Er sah zu der Ledertasche, die er aus Nizza hergetragen hatte und die noch immer neben dem Tisch stand, und Trudi rührte sie nicht an.
    »Glaubst du, sie könnten dem Kind schaden?« Trudi faßte nach ihren Brüsten, die ihr schwer zu sein schienen.
    »Du bist nicht schwanger«, sagte Georg.
    »Ich glaube, daß du Kinder kriegen kannst«, sagte Trudi. Sie knüllte das Zeitungspapier zusammen und hielt es ihm hin. »Das sind deine negativen Gedanken, tu sie weg.«
    Georg nahm das Papier und steckte es in die Tasche der Schlafanzugjacke. Trudi faßte oft nach den Brüsten, bevor ihre Tage kamen. Der Gedanke tröstete ihn, bis ihm der Büstenhalter einfiel, den Dott gekauft hatte, weil sie es nicht mal bis zur Abtreibung ohne aushielt. Er begann zu frösteln.
    »Dein Bademantel«, sagte Trudi. Sie zog ihn aus und stand nackt im Flur. »Ich friere nicht. Der Blutdruck ist jetzt erhöht.«
    »Du hörst dich an, als hättest du schon ein paar

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