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Das Sonnentau-Kind

Das Sonnentau-Kind

Titel: Das Sonnentau-Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Luepkes
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der Rundung sind.»
    «Wird gemacht, ganz wie Sie wollen. Sie sind die Künstlerin.»
    Der «Bettler» – sie hatte ihn in der Zeit entworfen, als Sebastian und sie wegen der Adoptionen von Behörde zu Behörde gerannt waren – wurde zum Glück vorsichtig geschoben. Die Räder der Lastenkarre versanken etwas im weichen Moorboden, das schwarze Profil der Luftbereifung hinterließ eine gemusterte Schneise im löchrigen Rasen.
    Wie wunderhübsch es hier war. Besonders im Mai, wenn die wenigen Bäume langsam grün wurden und das Heidekraut in den Winkeln der Landschaft zu wuchern begann. Sie dankte noch heute Sebastian dafür, dass er ihr diese Möglichkeit gegeben hatte. Es war zwar nicht ihre erste Ausstellung – früher, als sie noch Aquarelle gemalt hatte, war sie in einigen Städten zu sehen gewesen –, doch es war ihre erste öffentliche Sammlung aus Metall. Zwölf Skulpturen – die alle weit über fünfzig Kilo wogen, schwer zu fassen waren, viel Platz in Anspruch nahmen –, die bekam man nur selten in ihrer Gesamtheit unter.
    Das Moormuseum befand sich auf einem riesigen Grundstück. Sodenhütten und Lehmhäuschen verteilten sich über die Fläche, und daran angebrachte Tafeln erzählten von der Armut, in der die Moorarbeiter bis in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein lebten. Dann ein wenig Naturkunde und Landwirtschaft, alte Maschinen, ein Kochhaus. Die Einrichtung war der Stolz der Gemeinde, man hatte sich bei einer Umfrage über die sehenswertesten Museen Deutschlands sogar einen Platz neben dem Deutschen Museum in München und dem weltberühmten Pergamon- Museum in Berlin erworben.
    Nun würden ihre Arbeiten das Ganze für eine Sommersaison bereichern. Und dies hatte sie ihrem Mann zu verdanken. Sebastians Firma unterstützte dieses Museum bereits seit Jahren. Er hatte auch den «Kulturverein für ein neues Moordorf» ins Leben gerufen, der hiesigen Künstlern eine Chance gab, also auch ihr.
    Sebastian war ein wunderbarer Mann. So oft wurde ihr bewusst, dass er ihr das Leben gerettet hatte. Damals. Als sie überhaupt nicht wusste, wie es weitergehen sollte, nachdem sie endlich diesen Andreas Isselmeer losgeworden war.

Polizeirevier Aurich, Sitzungszimmer alle wollen eigentlich Feierabend machen
    Manchmal saß man gern am Ende der Schicht zusammen. Trug die aktuellen Wissensstände zusammen, hörte sich an, was die Kollegen am Tag geschafft hatten, und gab zum Besten, womit man selbst die letzten Stunden beschäftigt gewesen war. Manchmal brachten diese Treffen im Sitzungszimmer etwas, zwar nicht immer neue Erkenntnisse, aber oft das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Früher hatte Axel Sanders nicht viel davon gehalten, heute wusste er, dass ein funktionierendes Betriebsklima die Arbeit für alle angenehmer machte. Zugegeben, diese Erkenntnis hatte er Wencke und ihrem Führungsstil in Aurich zu verdanken. Und auch als ihr Vertreter auf Zeit hielt er diese Abschlussgespräche für enorm wichtig.
    Doch heute hätte er das Meeting gern einmal sausen lassen. Er hätte sogar einen Außer-Haus-Termin – selbst eine Leichensache – übernommen, um Wencke an diesem Tag und in diesem Haus nicht mehr begegnen zu müssen. Die Meinungsverschiedenheiten am frühen Nachmittag hatte zwischen ihnen eine frostige Stille breit werden lassen, und Axel Sanders registrierte missmutig, dass er damit überhaupt nicht umgehen konnte. Es wäre für ihn eine Erlösung gewesen, hätte er eine passende Ausrede parat gehabt und gerade heute Abend gefehlt. Greven hätte seinen Part sicher gern übernommen. Aber nichts da. Es gab keinen neuen Fall, keinen neuen Termin, er hatte noch nicht einmal irgendein glaubwürdiges Wehwehchen, welches etwas Ruhe und Entspannung hätte rechtfertigen können. Er musste dahin. Er musste ihr gegenübersitzen, ihren beleidigten Gesichtsausdruck ertragen und zu alledem auch noch eine freundliche Miene machen. Zum Glück hatte sie morgen frei. Es brauchte etwas Zeit, damit sich die Wogen glätten konnten.
    Axel Sanders nahm sich für die nun folgenden Minuten vor, die Kollegen reden zu lassen und zum Schluss noch irgendetwas Nettes in Wenckes Richtung zu schicken.
    Meint Britzke meldete sich mit gewohntem Eifer gleich zu Beginn, kaum dass alle am langen Tisch Platz genommen hatten. «Wir haben jetzt das endgültige Obduktionsergebnis des Rumänenjungen.»
    Wencke machte so eine Bewegung, die erkennen ließ, dass sie sich nicht anmerken lassen wollte, wie interessiert sie an dieser

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