Das Spiel
Hände um die Bettpfosten und rieb sie auf und ab, bis sie quietschten. Sie hielt die rechte Hand hoch und bewegte sie vor den Augen auf und ab. Sie haben gelacht, als ich mich ans Klavier gesetzt habe, dachte sie. Dann tastete sie vorsichtig nach der Stelle unmittelbar hinter dem Glas auf dem Regal. Sie ließ die Finger wieder über das Holz wandern. Die Handschelle stieß einmal klirrend gegen das Glas, worauf sie erstarrte und darauf wartete, dass es umkippen würde. Als es stehen blieb, setzte sie ihre Erkundung fort.
Sie war fast zur Überzeugung gekommen, dass das, wonach sie suchte, außer Reichweite gerutscht oder völlig heruntergefallen war, als sie schließlich die Kante der Einlegekarte berührte. Sie nahm sie zwischen den ersten und zweiten Finger der rechten Hand, hob sie behutsam hoch und nahm sie vom Regal und dem Glas weg. Jessie festigte mit dem Daumen ihren Griff um die Karte und betrachtete sie neugierig.
Sie war leuchtend purpurn, Signalstreifen tanzten trunken am oberen Rand. Konfetti und Girlanden schwebten zwischen den Worten herab. Newsweek bot TOLLE TOLLE ERSPAR-NISSE, verkündete die Karte, und sie sollte an der Party teilnehmen. Die Journalisten von Newsweek würden sie über das Weltgeschehen auf dem Laufenden halten, ihr Blicke hinter die Kulissen der Weltpolitik ermöglichen und sie mit ausführlichen Berichten über Kunst, Politik und Sport versorgen. Es stand nicht so deutlich darauf, aber die Karte vermittelte ziemlich nachdrücklich den Eindruck, dass Newsweek Jessie helfen konnte, den Sinn des gesamten Kosmos zu verstehen. Und das Allerbeste war, die Irren der Abonnementsabteilung von Newsweek machten ein so erstaunliches Angebot, dass einem der Urin kochen und der Kopf explodieren konnte: Wenn sie mit EBEN DIESER KARTE Newsweek drei Jahre abonnierte, bekam sie jede Ausgabe für weniger als den HALBEN VERKAUFSPREIS AM KIOSK! Und war Geld vielleicht ein Problem? Auf gar keinen Fall! Die Rechnung würde erst später zugestellt.
Ich frage mich, ob sie Lieferung ans Bett für gefesselte Damen haben, dachte Jessie. Vielleicht mit George Will oder Jane Bryant Quinn oder einem anderen dieser überheblichen alten Fürze, die mir die Seiten umblättern – das ist in Handschellen so schrecklich schwierig, wissen Sie.
Aber unter diesem Sarkasmus verspürte sie eine besondere Art von seltsam nervösem Staunen und konnte nicht aufhören, die purpurne Karte mit ihrem Feiern-wir-eine-Party-Motiv, den Kästchen für Namen und Anschrift und den kleinen Rechtecken mit den Bezeichnungen DiCl, MC, Visa und AMEX zu studieren. Ich habe diese Abokarten mein Leben lang verflucht – besonders wenn ich mich bücken und eines von den verdammten Dingern aufheben oder mich als weiteren Produzenten von überflüssigem Müll sehen musste – ohne je zu ahnen, dass meine geistige Gesundheit, vielleicht sogar mein ganzes Leben von einer abhängen könnten.
Ihr Leben? War das tatsächlich möglich? Musste sie tatsächlich so eine grässliche Vorstellung in ihre Rechnung mit einbeziehen? Jessie kam widerwillig zur Überzeugung, dass es so war. Es konnte sein, dass sie lange Zeit hier zubringen musste, bis jemand sie fand, und es war durchaus möglich, dass ein einziges Glas Wasser den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachte. Die Vorstellung hatte etwas Surrealistisches, schien aber nicht mehr durch und durch lächerlich zu sein.
Genau wie vorhin, Teuerste – langsam und sachte gewinnt man das Rennen.
Ja … aber wer hätte sich je träumen lassen, dass die Ziellinie sich in einer so ausgefallenen Landschaft befinden würde?
Trotzdem bewegte sie sich langsam und vorsichtig und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass es nicht so schwer wie befürchtet war, die Abokarte mit einer Hand zu bearbeiten. Das lag teilweise daran, dass sie zwölf mal acht Zentimeter maß – fast so groß wie zwei Spielkarten nebeneinander -, zum größten Teil jedoch daran, dass sie nicht versuchte, etwas besonders Kompliziertes damit zu machen.
Sie hielt die Karte der Länge nach zwischen erstem und zweitem Finger, dann benutzte sie den Daumen, um den letzten Zentimeter der langen Seite ganz nach unten zu drücken. Die Falzkante war nicht gleichmäßig, aber sie dachte, es müsste genügen. Außerdem würde kaum jemand daherkommen und ihre Arbeit benoten; die Bastelabende donnerstagsabends in der First Methodist Church von Falmouth lagen schon lange hinter ihr.
Sie kniff die purpurne Karte fest zwischen die beiden ersten
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