Das Spiel
kindliches Gesicht war jetzt so verzerrt wie eine Festspielmaske. Briony sah Flammen, die sich gierig durch das Dach des Hauses fraßen. In den umliegenden Häusern wurden Fackeln und Laternen entzündet, da die Nachbarschaft durch das Unheil in ihrer Mitte erwachte.
»Ihr sagt, Shaso wartet auf mich. Aber zuerst habt Ihr behauptet, er würde zu mir stoßen. Wo ist er? Ich glaube, Ihr lügt.«
Er sah sie mit einer seltsamen Mischung aus Wut und Gekränktheit an, so als ob sie alles getan hätte, um eine nette Überraschung, die er für sie geplant hatte, zu verderben. »Ach, glaubst du das?«
»Ja, das tue ich. Ich glaube ...« Aber sie brachte den Satz nicht zu Ende, da Talibo ihr beide Hände auf die Brüste legte, sie durch die Türöffnung schob und ihr dann einen Stoß versetzte, dass sie rückwärts stolperte und in den Schmutz des Stalles fiel.
»Halt den Mund, Hure!«, schrie er. »Tu, was dir gesagt wird! Ich komme zurück!«
Doch noch während er sich zur Tür wandte, rutschte Briony über den feuchten Boden auf ihn zu. Sie packte sein Bein und zog sich hoch, und als er sich umdrehte, drängte sie ihn gegen die raue Flechtwerkwand des Stalls und presste ihm die gebogene Klinge des Yisti-Messers an die Kehle.
Nah genug für einen Kuss,
hatte Shaso sie gelehrt,
nah genug zum Töten.
»Ihr werdet mich nie mehr anfassen, habt Ihr mich verstanden?«, zischte sie ihm ins Gesicht. »Und Ihr werdet mir ganz genau erzählen, was Shaso zu Euch gesagt hat, was passiert ist, und was Ihr gesehen habt. Wenn Ihr lügt, werde ich Euch die Kehle aufschlitzen und Euch hier im Dung und im Schlamm verbluten lassen.«
Tals langbewimperte Augen weiteten sich. Er war blass geworden, das erkannte sie sogar im dämmrigen Licht der einen Kerze, die jemand hier im Stall entzündet hatte — in Vorbereitung ihres Kommens? —, und als er schlaff gegen die Wand sank, entspannte auch Briony ihre Muskeln ein wenig. Wo war Shaso? Hatte Effirs Neffe wirklich gelogen? Wie sollten sie hier herauskommen, wenn überall Soldaten waren — und woher wussten die Soldaten ...?
Talibo schlug zwar nur mit der flachen Hand zu, doch so fest und unerwartet, dass Briony rückwärtsfiel und das Messer ins Dunkel flog. Einen Moment lang konnte sie nichts weiter tun, als gurgelnd nach Luft zu schnappen, da sich ihr Mund mit Blut füllte. Sie spuckte wieder und wieder aus, doch alles Blut ihres Körpers schien ihr aus Nase und Lippen zu rinnen. Sie tastete nach dem verlorenen Messer, als der Neffe des Kaufmanns auf sie zu trat, aber es war irgendwo außer Reichweite, außer Sicht — verloren, genau wie sie ...
»Miststück«, knurrte er. »Dämonin. Mir ein Messer an die Kehle zu setzen. Ich sollte ... ich werde ...« Er spuckte ihr vor die Füße. »Dafür wirst du mich einen Monat lang um Verzeihung anbetteln — ein Jahr!«
Sie versuchte etwas zu sagen, aber es fühlte sich an, als wäre ihr Kiefer gebrochen, und sie konnte nur flüstern und wieder Blut ausspucken. Sie ließ die Hand ihr Bein hinab gleiten und griff in ihren Stiefel, aber die Scheide war leer — der andere Dolch war während des Handgemenges herausgefallen. Ihr wurde innerlich eiskalt. Sie hatte keine Waffe.
»Shaso, dein mächtiger Shaso, ist tot«, sagte Talibo. »Ich habe gesehen, wie ihn die Soldaten töteten — wie sie ihn umstellten wie ein Wildschwein und auf ihn einstachen, immer wieder. Ich habe ihnen natürlich gesagt, wo sie ihn finden würden.«
Sie hustete und wischte mit dem Handrücken über ihren verletzten Mund. »Ihr habt ...?«
»Und meinen Onkel ebenfalls. Den habe ich selbst erledigt. Er wird mich nie mehr beschimpfen — verwöhnt, faul. Ha! Er wird in den Schatten des Totenreiches verrotten, und
ich
werde hier der Herr sein. Meine Schiffe, meine Händler, mein Haus ...!«
»Ihr habt uns ...?« Das Sprechen tat weh, aber der Gedanke, dass Shaso ermordet worden war, brannte in ihr wie Feuer, wie eine der Kohlen, die auf Effir dan-Mozans Fußboden geflogen waren — vor wenigen Augenblicken erst, vor Ewigkeiten. Es konnte nicht wahr sein — so grausam konnten die Götter nicht sein! »Verraten ... uns alle?«
»Dich nicht, Miststück, obwohl ich jetzt wünschte, ich hätte es getan. Aber dich will ich selbst behalten, und du wirst lernen, mich mit Respekt zu behandeln.« Er kam keuchend ein paar Schritte auf sie zu und beugte sich heran, blieb aber sorgsam außerhalb ihrer Reichweite, obwohl sie das gekrümmte Messer verloren hatte. Das bereitete
Weitere Kostenlose Bücher