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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sein Herz beruhigte sich etwas. Während er das Pferd wieder in seine Gewalt brachte, rief er dem Prinzen zu, er solle anhalten, und als er sich vorbeugte, um dem immer noch verängstigten Tier beruhigend den Hals zu tätscheln, sah er das tote Etwas am Boden.
    Zuerst mischten sich Abscheu und Erschrecken mit Erleichterung, denn die Kreatur war nicht größer als ein vier- oder fünfjähriges Kind und offensichtlich nicht imstande, ihnen etwas anzutun: Der Kopf war fast gänzlich abgetrennt, und schwarzes Blut glänzte auf Brust und Bauch des Wesens und im feuchten Gras, wo es der erbarmungslose Regen verdünnte und wegspülte. Doch je länger Vansen den Kadaver musterte, desto unheimlicher wurde er ihm. Die Kreatur sah aus wie ein Affe, hatte aber abnorm lange Finger und die Haut einer Eidechse, rau und schuppig. Höcker von grauem Knochen ragten an den Gelenken und entlang der Wirbelsäule aus der Schuppenhaut, nicht als Folge von Verletzungen, sondern als Teil des Wesens, so wie die Hörner der Kuh oder die Fingernägel des Menschen. Als Vansen das tote Etwas näher inspizierte, sah er, dass das Gesicht bestürzend menschenähnlich war, so braun wie der Rest der höckerbewehrten Haut, aber glatt und lederartig. Die dunklen, weit geöffneten Augen lagen in einem Netz von Falten, und wenn er nur sie gesehen hätte, wäre er überzeugt gewesen, dass es ein altes Männlein war, doch die spitzen Fangzähne veränderten das Bild.
    Vansen stupste das Etwas fest mit seinem Schwert, aber es regte sich nicht. Er lenkte sein Pferd in einigem Abstand um den Kadaver herum und verfolgte, wie Barricks Tier den gleichen Bogen schlug. Der Prinz blickte nicht einmal hinab.
    Nur wenige Schritte weiter fand Vansen ein zweites und dann ein drittes Wesen derselben Art, ebenfalls tot und blutüberströmt: aufgeschlitzt von einer Klinge oder langen Krallen. Er zügelte sein Pferd und fragte sich, welche Art Bestie diese unangenehm aussehenden Kreaturen so leicht überwältigt hatte. Eins dieser grässlichen, krebsartigen Riesenungeheuer, die Collum Saddler geholt hatten? Oder etwas noch Schlimmeres, etwas ... Unvorstellbares? Vielleicht lauerte es ja irgendwo dort im Schattendunkel des Waldes und beobachtete sie mit glimmenden Augen ...
    »Langsam, Hoheit«, rief er Barrick zu, aber der Junge beachtete es so wenig, als hätte er Xixisch gesprochen.
    Nur wenige Schritte vor ihnen lag ein weiteres Häufchen kleiner, höckerbewehrter Kadaver mitten auf dem Pfad. Vansens Pferd blieb ängstlich schnaubend stehen. Ganz offensichtlich wollte es nicht über die Kreaturen hinwegsteigen, aber Barricks schattenländisches Pferd zeigte keine derartigen Hemmungen und trottete einfach an ihm vorbei. Knurrend saß Vansen ab, um den Weg frei zu räumen. Weil er die Kadaver nicht anfassen wollte, stieß er einen davon mit dem Schwert beiseite, doch plötzlich erwachte das Ding zum Leben. Mit einem grässlichen Pfeifen, das, wie Vansen erst mit Verzögerung bemerkte, von der Luft kam, die es durch seine tödliche Brustwunde einsog, kletterte es das Schwert hinauf und schlug Vansen die Zähne in den Arm, ehe er mehr tun konnte, als einen Schreckenslaut auszustoßen. Er hatte so oft erwogen, sein Kettenhemd abzulegen, weil es ihm in der feuchten Kälte eher als Last denn als Schutz erschienen war, aber jetzt dankte er den Göttern, dass er es anbehalten hatte. Die von Funderlingen geschmiedeten Ringe vermochten die Zähne nicht zu durchdringen, und Vansen gelang es, dem Biest so fest ins verhutzelte Gesicht zu schlagen, dass es von seinem Arm abließ. Es fiel zu Boden, rannte aber nicht weg, sondern kam wieder auf ihn zu, noch immer pfeifend wie ein geplatzter hügelländischer Dudelsack.
    »Barrick!«, schrie er, weil er keine Ahnung hatte, wie viele von den übrigen Kreaturen ebenfalls noch am Leben waren und nur darauf lauerten, ihn anzufallen. »Helft mir, Hoheit!« — aber der Prinz war bereits entschwunden.
    Vansen zog sich ein Stück von seinem Pferd zurück, um es nicht mit einem wilden Schwerthieb zu verletzten, und als ihm das kleine Monstrum an die Kehle springen wollte, konnte er es mit der flachen Klinge beiseite schlagen. Das schwere Schwert war nicht die beste Waffe, aber er wagte es nicht, erst noch den Dolch zu ziehen. Ehe das zischende Biest sich wieder aufrappeln konnte, stürzte er vorwärts und nagelte es mit dem Schwert an den nassen Erdboden, trieb die Klinge durch Muskeln, Innereien und knackende Knochen, bis das Heft schon fast in

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