Das Spiel
seit langem dazu. Er hat damals dafür gesorgt, dass das Kind zu der Pflegemutter kam.« Sie wandte sich wieder an Brone. »Und Briony und Barrick habe ich es ebenfalls erzählt.«
»Ihr habt
was?«
»Es ihnen erzählt, den armen Schätzchen. Sie hatten ein Recht darauf, es zu erfahren. Ihr müsst wissen, am Tag von Kendricks Beisetzung habe ich das Kind gesehen. Mein Kind.«
Brone konnte nur wieder den Kopf schütteln. »Merolanna, einer von uns beiden ist zweifellos im Begriff, verrückt zu werden.«
»Ich bin es nicht. Eine Zeitlang dachte ich, ich müsste verrückt sein, aber inzwischen weiß ich es besser. Also, sprecht — was gedenkt Ihr zu tun?«
»Tun? In welcher Angelegenheit?«
»In dieser ganzen Sache. Um Chaven zu finden und herauszubekommen, warum die Zwielichtler meinen kleinen Jungen geraubt haben.« Sie bemerkte Avin Brones Gesichtsausdruck. »Oh, das habe ich Euch noch gar nicht erzählt, was?« Rasch berichtete sie ihm, was Königin Altania und das Lauschorakel gesagt hatten. »Also, was werdet Ihr tun?«
Brone schien völlig verdattert. »Ich ... ich könnte mich wohl noch einmal in aller Stille nach Chavens Verbleib umhören, aber die Fährte ist wahrscheinlich längst kalt.«
»Ihr könnt mehr tun als nur das. Ihr könnt Utta und mir helfen, in das Lager dieser Zwielichtler zu gelangen, dieser ... wie heißen sie doch gleich? Qar? Wir haben sie immer nur Zwielichtler genannt, ich verstehe nicht, warum sich auf einmal alles ändern muss. Jedenfalls will ich zu ihnen. Schließlich sind sie ja gleich drüben auf dem Festland.«
Jetzt war es Utta, die sie verblüfft anstarrte. »Euer Gnaden, was sagt Ihr da? Das sind mordgierige Kreaturen — sie haben bereits Hunderte von uns getötet.«
Die Herzogin wischte Uttas Einwand mit einer. Handbewegung beiseite. »Ja, sie sind ganz gewiss schrecklich, aber wenn sie mir nicht sagen wollen, wo mein Sohn ist, kümmert mich nicht, was sie mit mir machen. Ich will Antworten. Warum haben sie meinen Sohn geraubt? Warum haben sie mir über all die Jahre Folterqualen auferlegt, nur um ihn dann zurückzuschicken, genauso jung wie an dem Tag, an dem sie ihn geholt haben? Ich habe ihn doch bei Kendricks Beisetzung gesehen. Ich dachte, ich wäre wirklich verrückt. Und warum das alles gerade
jetzt?
Es hat irgendetwas mit all diesem anderen Unsinn zu tun, lasst Euch das gesagt sein.«
»Ihr ... Ihr seid ganz sicher, dass Ihr ihn gesehen habt?«, fragte Utta.
»Es war mein Kind.« Merolannas Gesicht war jetzt kalt und hart. »Würdet Ihr Eure Zoria nicht erkennen, wenn sie in Eurer Kapelle wieder erschiene? Ich habe ihn gesehen — meinen armen, lieben kleinen Jungen.« Sie wandte sich wieder an Brone. »Nun?«
Er holte tief und zittrig Luft, ließ sie dann wieder entweichen. »Merolanna ... Herzogin ... Ihr haltet mich fälschlicherweise für jemanden, der immer noch über eine gewisse Macht verfügt. Ich bin nur ein klappriges altes Kriegsross, das jetzt sein Gnadenbrot frisst.«
»Ach. So ist das also?« Sie wandte sich an Schwester Utta. »Ihr könnt gehen, meine Liebe. Wenn Ihr so freundlich wärt, heute Nachmittag in meine Gemächer zu kommen, können wir noch etwas weiterreden. Es gibt so vieles zu entscheiden. Bis dahin habe ich hier etwas Überzeugungsarbeit zu leisten.« Sie sah Brone scharf an, setzte dann, an Utta gewandt, hinzu: »Und sagt diesem Pagen, der draußen wartet, wenn ich hier fertig bin, benötigt sein Herr ein Bad und etwas zu essen. Der Graf hat Arbeit vor sich.«
Utta ging hinaus, beeindruckt von Merolannas Stärke und Entschlossenheit, aber auch ein wenig besorgt. Die Herzogin würde Brone irgendwie herumkriegen, das stand außer Zweifel, aber würde die Kraft ihrer Persönlichkeit auch reichen, wenn es irgendwann gegen all ihre Feinde ginge — gegen den grausamen Hendon Tolly oder die unheimlichen, unsterblichen Zwielichtler?
Plötzlich schien Utta die Burg keine sichere Zuflucht mehr, sondern nur ein kalter, steinerner Kasten inmitten einer kalten, kalten Welt.
»Kennen wir uns nicht?«, fragte der Wachsoldat Kettelsmit. Er trat auf ihn zu und reckte das runde, stoppelbärtige Gesicht dicht an das des Poeten heran. »Wollte ich dir nicht den Schädel einschlagen?«
Matty Kettelsmits Knie fühlten sich weich an. Als wäre nicht alles schon schlimm genug, war das tatsächlich jener Soldat, der damals, vor ein paar Monaten, etwas dagegen gehabt hatte, dass Kettelsmit sich in dem dunklen Gässchen hinterm
Dachsenstiefel
ein
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