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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Euch, also dürft Ihr weder krank noch schwach sein und schon gar nicht sterben!«
    Merolanna lachte. »Sagt das Eurer unsterblichen Herrin, nicht mir. Wenn die Götter beschließen, mich zu sich zu nehmen, oder mich einfach nur zu einer alten Tattergreisin zu machen, dann ist das ihre Sache.« Sie ging langsamer, als sie jetzt in den engen Durchgang zwischen Wolfszahnturm und Waffenkammer kamen. Hier war der Verputz abgeblättert, und in den Mauerritzen wuchsen Grasbüschel. »Bei der Gnade der Brüder, in diesem Teil der Burg war ich seit Jahren nicht mehr. Hier verfällt ja alles!«
    »Genau der richtige Ort für die, die nicht mehr gebraucht werden — für Brone, Euch und mich.«
    »Gut gesagt, meine Liebe.« Merolanna drückte anerkennend ihren Arm. »Je unbrauchbarer wir sind, desto weniger wird man uns zutrauen, eine solche Teufelei auszuhecken.«
     
    »Euer Gnaden, das ist ... das ist aber eine Überraschung.« Brones Stimme klang ein wenig belegt. Außer ihnen und zwei jungen, misstrauisch dreinblickenden Wachen, die weniger einen wichtigen Edelmann zu schützen als vielmehr einen Gefangenen zu bewachen schienen, war die Zahlmeisterei leer. »Und Schwester Utta. Euch habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen. Wie geht es Euch?«
    »Gut, Graf Brone.«
    »Ihr werdet verzeihen, wenn ich mich nicht erhebe.« Er deutete auf sein entblößtes linkes Bein, das auf einem Sitzkissen lagerte. Das Fußgelenk war so dick wie ein Schinken. »Diese verfluchte Gicht.«
    »Es ist nicht die Gicht, die Euch im Sessel festhält, es ist der Wein«, sagte Merolanna. »Wir haben gerade erst Mittag. Wie viel habt Ihr heute schon getrunken, Brone?«
    »Was?« Er sah sie mit großen Augen an. »So gut wie nichts. Einen Becher oder zwei vielleicht, gegen die Schmerzen.«
    »Einen Becher oder zwei, ach ja?« Merolanna zog eine Grimasse.
    Tatsächlich wirkte er ziemlich heruntergekommen. Utta hatte ihn eine ganze Weile nicht mehr gesehen, also mochten ja die vielen Falten in seinem Gesicht nichts zu bedeuten haben, aber seine Augen lagen tief inmitten von dunklen Schatten, und er hatte die Hautfarbe von jemandem, der seit Wochen das Krankenbett hütet. Es fiel schwer, diesen aufgequollenen, teigigen Mann, der in seinem Sessel hing wie ein Sack voll dreckiger Wäsche, mit der hünenhaften Gestalt zusammenzubringen, die sich noch vor kurzem durch die Festung bewegt hatte wie eine Kriegsgaleone unter vollen Segeln.
    Merolanna klopfte auf den Tisch und zeigte mit dem Finger auf eine der Wachen. »Graf Brone benötigt etwas Brot und Käse, um seines Magens willen. Geh und schaff etwas herbei.«
    Der Soldat gaffte sie an. »E-euer Gnaden ...?«
    »Und du«, sagte sie zu dem anderen. »Ich bin alt und fröstele leicht. Geh und hol mir ein Kohlebecken. Los, los, ihr beiden!«
    »Aber ... wir dürfen den Grafen nicht allein lassen!«, sagte der zweite Soldat.
    »Habt ihr Angst, die Zorienschwester und ich könnten ihn umbringen, während ihr weg seid?« Merolanna starrte ihn an, wandte sich dann an den Grafen. »Haltet Ihr es für wahrscheinlich, dass wir Euch etwas antun, Brone?« Sie ließ ihm keine Zeit zu antworten, sondern trat einen Schritt auf die Wachen zu und wedelte mit der Hand, als wollte sie Hühner aus dem Garten scheuchen. »Los jetzt. Beeilt euch.«
    Als die verdutzten Wachen weg waren, räusperte sich der Graf. »Darf ich fragen, was
das
zu bedeuten hatte?«
    »Ich brauche Eure Hilfe, Brone«, sagte Merolanna. »Es gibt ernste Probleme, und ohne Eure Hilfe können wir sie nicht lösen — und ebenso wenig vor Fretups Spitzeln, deshalb habe ich diese beiden Affen weggeschickt.«
    Er starrte sie an, aber seine Augen blieben stumpf. »Ich kann Euch nicht helfen, Herzogin. Das wisst Ihr. Ich habe mein Amt nicht mehr inne. Ich wurde ... in den Ruhestand versetzt.« Sein Lachen war ein verschleimtes Bellen. »Ich bin jetzt auf dem Altenteil.«
    »Und deshalb sitzt Ihr hier herum und trinkt und suhlt Euch in Selbstmitleid.« Utta zuckte bei Merolannas Worten zusammen. Sie fragte sich, wie eine Frau — selbst eine wie die Herzogin — so mit Avin Brone reden konnte, so verächtlich und vertraut zugleich. »Ich bin nicht hier, um Euch dabei zu helfen, Brone, und ich wäre dankbar, wenn Ihr Euch gerade hinsetzen und mir zuhören würdet. Ihr kennt mich doch. Ihr wisst ja, ich würde nicht Eure Hilfe suchen, wenn ich sie nicht wirklich bräuchte. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die beim geringsten Anlass heulend zu einem Mann

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