Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Bewaffneten, von den Adligen und reichen Kaufleuten leicht zu unterscheiden an ihren kalten, reglosen Mienen und daran, dass sie, selbst wenn sie mit jemandem sprachen, nie ihr Gegenüber ansahen, sondern den Blick ständig durch den Raum schweifen ließen. Die übrigen Höflinge beschäftigten sich wie immer mit leisem Debattieren oder Schwatzen. Kaum einer sah auf, als Kettelsmit durch den Saal geführt wurde. Sie waren alle viel zu sehr von ihren Geschäften absorbiert. Jetzt, da in Südmark so viele Ländereien verwaist, so viele Edelleute im Krieg gegen die Zwielichtler gefallen oder verschollen waren, gab es viel zu holen. Da konnte ein Mann von zweifelhafter Herkunft schnell ein vermögender Mann werden.
    Der Hof war immer schon so geschäftig gewesen wie ein Bienenstock, ein Tummelplatz der Ambitionen und Eitelkeiten, aber eins war jetzt mit Sicherheit anders als noch vor wenigen Monaten: Während Brionys und Barricks kurzer Regentschaft war es im Thronsaal lebhaft zugegangen, weniger ruhig und geordnet als zu Olins Zeiten (jedenfalls hatte man das Kettelsmit erzählt, er selbst war ja zu Olins Zeiten nie im Thronsaal, ja nicht einmal in der Hauptburg gewesen), und auch in formellsten Situationen waren muntere Unterhaltungen ganz normal gewesen. Jetzt hingegen war es fast still. Während Kettelsmit von dem Wachsoldaten durch den Saal geführt wurde und die Grüppchen vor ihnen sich auflösten, um sie durchzulassen, ging der Geräuschpegel kein einziges Mal über Flüsterlautstärke hinaus. Es war wie bei Nacht in einem Taubenhaus — nur leises Geraschel.
    Wie ein kalter Wind in dürren Blättern,
dachte er, und sein Magen krampfte sich wieder zusammen.
Götter der Hügel und Täler, sie werden mich töten!
Die Anrufungsformel, die von seiner Mutter stammte und an die er jahrelang nicht einmal mehr gedacht hatte, brachte ihm keinen Trost.
Zosim, du schlauster aller Götter, hörst du mich? Bewahre mich vor diesem grässlichen Schicksal, und ich werde ... dir einen Tempel erbauen, wenn ich das Geld dazu habe.
Doch selbst in seinen eigenen Ohren klang das wie ein leeres Versprechen. Was sonst konnte sich der Schutzpatron der Dichter und der Betrunkenen wünschen?
Ich werde dir eine Flasche vom feinsten xandischen Roten auf den Altar stellen. Bitte, lass nicht zu, dass Hendon Tolly mich tötet!
Aber Zosim war bekannt für seine Unzuverlässigkeit. Die schreckliche Last auf seiner Brust erdrückte Kettelsmit beinah, und er kämpfte gegen die Tränen an.
Zoria, gebenedeite Jungfrau, wenn du die Menschheit je geliebt hast, wenn du je Mitleid mit armen Toren hattest, die nichts Böses im Schilde führen, dann hilf mir jetzt! Ich will mich bessern. Ich verspreche, ein besserer Mensch zu werden.
    Hendon Tolly saß nicht in dem Sessel, wo er normalerweise Hof hielt. Vielmehr stand Tirnan Fretup neben dem verwaisten Stuhl. Er spähte auf ein Bündel Papiere, das er in der Hand hielt, die Brille auf der Mitte des Nasenrückens.
    »Wer ist dieser Kerl?«, fragte Fretup und musterte den Dichter über seine Augengläser hinweg. »Kettelsmit, richtig?« Er drehte sich um und streckte die Hand aus. Der Page, der hinter ihm stand, gab ihm ein dickes, offiziell aussehendes Pergament. Fretup studierte es mit zusammengekniffenen Augen. »Ah ja. Ist hinzurichten, steht hier.«
    Matt Kettelsmit schrie auf. Die Welt schien sich zu drehen, dann merkte er, dass er selbst es war — oder nein, er war es doch nicht, es
war
die Welt: Er lag auf dem Rücken, und die Welt drehte sich nicht nur, sie wirbelte dahin wie der Kreisel eines Kindes, und ihm war schlecht. Er konnte den galligen Mageninhalt gerade noch hinunterschlucken.
    Während er so dalag, die Wange auf dem Stein und den sauren Geschmack von Erbrochenem im Mund, hörte er Fretup ärgerlich sagen: »Schau, was du gemacht hast, Schwachkopfl Nicht Kettelsmit ist hinzurichten, hier steht ›Blekensmit‹ — der hat einen Aufseher erwürgt.« Der Dichter hörte ein wütendes Grunzen, dann einen kleinen Schmerzensschrei, als der Vogt den Pagen schlug. »Kannst du nicht lesen, dummes Kind? Ich wollte die Order für ›Kettelsmit‹, nicht ›Blekensmit‹.« Matt Kettelsmit hörte weiteres Pergamentgeraschel, und das Geflüster der Höflinge um ihn herum intensivierte sich. Es klang, als schwänge sich ein Schwarm Fledermäuse in die Lüfte. »Ah, da haben wir's ja. Er soll auf den Reichshüter warten.«
    »Nicht nötig — bin schon da«, sagte eine neue Stimme. Ein schwarzes, mit

Weitere Kostenlose Bücher