Das Spiel
wenig mit seiner Freundin vergnügte. »Nein, nein, Ihr müsst mich verwechseln«, sagte er und versuchte, besänftigend zu lächeln. »Aber wenn ich sonst etwas für Euch tun kann, außer mir den Schädel einschlagen zu lassen ...«
»Lass ihn«, sagte der andere Wachsoldat, eher belustigt als mitfühlend. »Wenn der Reichshüter was gegen ihn hat, wird's ihm bald viel schlimmer ergehen, als du's dir vorstellen kannst. Außerdem will er den Kerl vielleicht unbeschädigt.«
Der feiste Wachsoldat beäugte den zitternden Dichter wie ein kurzsichtiger Stier, der nicht genau weiß, ob er angreifen soll oder nicht. »Nun gut, wenn dich der Reichshüter nicht auspeitschen lässt oder so etwas, können wir beide immer noch unseren Spaß haben.«
»Bei den Göttern, wirklich eine sehr vernünftige Entscheidung!« Kettelsmit trat zurück und stellte sich mit dem Rücken an die Wand. »Wer würde denn dem Reichshüter ins Gehege kommen wollen? Sehr klug von Euch.«
Er war gerade noch einmal davongekommen. Allerdings glaubte Kettelsmit nicht einen Moment daran, dass er noch so lange am Leben sein würde, um weitere Begegnungen mit dem rachsüchtigen Soldaten vermeiden zu müssen. Es konnte ja wohl kein Zufall sein, dass Hendon Tolly ihn gerade jetzt zu sich bestellte, so kurz nach diesem unbedachten Moment mit Elan M'Cory dort im Garten, als er ihr die Hände geküsst und seine Liebe gestanden hatte. Vorher hatte ihm Tolly nicht mehr Beachtung geschenkt als einem Hund unterm Tisch.
Er wird mich töten.
Bei diesem Gedanken wurden seine Knie wieder weich, und er musste die Finger in die Mauerritzen hinter sich krallen, um sich aufrecht zu halten. Er konnte dem Drang zu fliehen kaum widerstehen.
Aber, o Götter, vielleicht ist es ja doch etwas Harmloses. Wegzulaufen wäre ein Schuldeingeständnis ...!
Die Einbesteilung war ihm am Morgen von einem von Fretups Pagen überbracht worden. Kettelsmit hatte gleich das Gefühl gehabt, dass ihn der Junge komisch ansah, als er ihm die Botschaft übergab; als er sie gelesen hatte, wusste er warum.
Matthias Kettelsmit hat sich unmittelbar nach den Morgengebeten im Thronsaal einzufinden.
Die Botschaft trug als Unterschrift ein »T«, für »Tolly«, und das Siegel mit dem Gronefeldschen Wappen, dem Eber mit den Speeren. Sobald der Page gegangen war, hatte sich Kettelsmit geräuschvoll ins Nachtgeschirr übergeben.
Jetzt hielt er sich an der Wand fest und sah zu, wie sich die beiden Wachsoldaten über Belanglosigkeiten unterhielten. Würden sie, würde irgendjemand sich an ihn erinnern, wenn er tot wäre? Der Dicke würde feiern! Und niemand in der gesamten Burg würde ihm eine Träne nachweinen, außer vielleicht der armen, gepeinigten Elan und dem alten Puzzle. Was für ein Los für jemanden, der so Großes hatte vollbringen wollen ...!
Aber ich habe nichts Großes vollbracht. Ja, um ehrlich zu sein (und das sollte ich vielleicht schon mal üben, wenn ich bald vor die Götter treten werde), ich habe es nicht einmal ernsthaft versucht. Ich dachte, als Hofdichter würde ich ganz von allein zu Ruhm und Größe gelangen, aber ich habe nichts Nennenswertes hervorgebracht. Ein paar Verse über Zoria für die Prinzessin, aber seit Dekamene ist nichts mehr dazugekommen — ich dachte, dieses Gedicht würde mein Durchbruch sein, aber jetzt, da Briony weg ist, stagniert es. Nun ja, sowieso nicht mein bestes Werk, wenn ich ehrlich bin. Und ansonsten? Ein paar Kleinigkeiten für Puzzle, Lieder, lustige Einlagen. Ein, zwei Auftragsarbeiten für junge Edelleute, die ein paar hübsche Worte wollten, um ihre Liebste in Beischlafstimmung zu versetzen. Alles in allem — nichts. Ich habe mein Leben vergeudet und mein Talent, so ich denn je wirklich welches hatte.
Hinter seinen Rippen war immer noch Eiseskälte, aber die Taubheit von der Taille aufwärts verband sich jetzt mit einem jähen, heftigen Harndrang.
Wie man sich einen Mann in seinem letzten Stündlein vorstellt,
dachte Kettelsmit unglücklich.
Macht sich Gedanken über Gedichte und sucht dringend einen Abtritt.
Die Tür zum Thronsaal barst auf. »Wo ist der Dichter?«, blaffte ein bulliger Wachsoldat. »Da seid Ihr ja. Kommt mit, und keine Sperenzchen — ist sowieso schnell vorbei.«
Der Thronsaal war wie immer dicht gefüllt. Eine Fünfzigschaft königlicher Garden in voller Rüstung und den Farben der Eddons mit dem Wolf-und-Sterne-Wappen stand an den Wänden aufgereiht, und dazu kamen fast noch einmal so viele von Tollys eigenen
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