Das Spiel
und gut aussehend, dass die beiden sich in seiner Gegenwart wie liebeskranke alte Männer benahmen. Außer in kleinen Dingen schien er dies aber nicht auszunutzen. Briony mochte ihn: Seine sorglose und mitunter freche Art erinnerte sie ein wenig an Kendrick.
»Dein Nachname ist Ulian«, sagte sie einmal zu ihm, als sie beide neben den Pferden hergingen. »Heißt das, du bist aus Ulos?«
»Dort war ich nur so lange«, erwiderte er lachend, »bis mir klar wurde, was für ein Misthaufen das war. Du hast dir die Luft von Südmark ja auch nicht sehr lange um die Nase wehen lassen.«
Briony war entrüstet. »Nein, ich liebe Südmark. Ich bin nicht weggegangen, weil es mir dort nicht gefallen hätte.«
»Warum dann?«
Sie merkte, dass sie auf Terrain geriet, das sie eigentlich hatte meiden wollen. »Jemand hat mich schlecht behandelt. Aber du, wie alt warst du? Als du aus Ulos weggingst, meine ich.«
»Nicht älter als zehn, würde ich sagen.« Er zog die Stirn in Falten. »Ich hab's nicht so mit Zahlen. Jetzt bin ich wohl achtzehn oder neunzehn, also dürfte das stimmen.«
»Du kamst also nach Südmark und wurdest Schauspieler?«
»So direkt nicht.« Er grinste. »Falls du je hast sagen hören, Schauspieler und Theater seien der Bodensatz der Gesellschaft, dann musst du wissen, dass keiner, der so redet, je den wahren Sündenpfuhl von Südmark gesehen hat — geschweige denn von Tessis, das Südmark an Lasterhaftigkeit und Verworfenheit weit übertrifft!« Feival gluckste. »Ich freue mich schon darauf wieder dort zu sein.«
»Ich habe von einem ... Arzt in Südmark gehört.« Briony wusste nicht, ob sie sich zu weit vorwagte. »Ich glaube, er lebte auf der Burg. Chaven hieß er. Es hieß, er stamme aus Ulos. Hast du je von ihm gehört?«
Feival sah sie prüfend an. »Chaven Makaros? Natürlich. Er kommt aus einer der führenden Familien von Ulos. Die Makari wären Könige, wenn es in Ulos so etwas gäbe.«
»Er ist also sehr bekannt?«
»Wo ich aufwuchs, war er so bekannt wie die Eddons in Südmark.« Feival hielt inne, um das Zeichen der Drei zu schlagen. »Ach, die armen Eddons«, seufzte er. »Mögen die Götter über sie wachen. Wie ich gehört habe, sind sie jetzt alle tot, außer unserem geliebten König, der in Gefangenschaft sitzt.« Er musterte sie. »Wenn du vielleicht zu den Bediensteten der Burg gehört hast und weggelaufen bist, könnte ich das gut verstehen. Dort herrschen jetzt schlimme Zeiten. Schreckliche Zeiten — kein guter Ort für ein junges Mädchen.«
»Mädchen ...?«
»Ja, Herzchen,
Mädchen.
Du kannst vielleicht den anderen etwas vormachen, aber nicht mir. Ich spiele schon mein Leben lang eins und erkenne gute wie schlechte Imitationen. Du bist aber weder gut noch schlecht nachgemacht, du bist wirklich ein Mädchen. Außerdem gibst du einen ziemlich jämmerlichen Jungen ab.« Er tätschelte ihr die Schulter. »Halt dich von Kennit fern, ganz gleich, wofür du dich ausgibst. Er giert nach Jugend und greift sie sich, wo immer er kann.«
Briony zitterte und konnte es sich kaum verkneifen, selbst das Zeichen der Drei zu schlagen. Dass ein weiterer Schauspieler ihre Tarnung durchschaut hatte, verstörte sie sehr viel weniger als Feivals Aussage, dass alle Eddons tot seien ...
Nicht alle,
sagte sie sich und schöpfte aus diesem verzweifelten Widerspruch ein wenig Mut.
Nachdem sie mehrere Tage weitergezogen waren und nachts nur ein behelfsmäßiges Lager aufgeschlagen hatten, erreichten sie das Gut eines Ritters, wo sie offenbar schon in früheren Jahren gastfreundlich aufgenommen worden waren und auch jetzt wieder freundlich empfangen wurden. Es wurde keine Aufführung als Gegenleistung erwartet, doch Pedder Makswell ging — nachdem man ihn aus Gründen der Sauberkeit wie der Ernüchterung genötigt hatte, in einem kalten Bach zu baden — zum Hauptgebäude, um vor dem Ritter, dessen Gemahlin und dem gesamten Haushalt Verse zu deklamieren. Seine Schwester Estir begleitete ihn, um ein Auge auf ihn zu haben — aber wohl auch, dachte Briony, um etwas Besseres zu essen zu bekommen als der Rest der Truppe, der drunten bei den Stallungen lagerte. Sie konnte es der Frau nicht verdenken. Wenn sie nicht hätte befürchten müssen, erkannt zu werden, hätte sie nur zu gern selbst einen Abend an einem Kaminfeuer verbracht und etwas anderes als gekochte Zwiebeln und Mohrrüben gespeist. Möhren, Zwiebeln und zwei Laibe Brot für alle waren aber immer noch besser als das meiste, was sie in
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