Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
möchte ich nur deutlich machen, warum wir Schauspieler eine so furchteinflößende Gemeinschaft sind. Wir kehren hervor, was alle anderen verbergen — was sogar die Priester verbergen. Wir spielen die Geschichten, die uns die Priester erzählen — aber wir zeigen zugleich, dass sie dummes Zeug sind. Der Eingang zum Theater ist ein Tor zur Unterwelt, so wie das, an dem Immon wacht, doch hinter unserem Tor lauern beängstigende Wahrheiten und fauler Zauber Seite an Seite, und wer kann schon sagen, was was ist? Nur die Schauspieler, die hinterm Vorhang stehen und sich in die Gewänder und Masken hüllen, um die Geschichten zu erzählen.« Sichtlich zufrieden mit seiner Rede, nahm Kennit einen kräftigen Schluck aus seinem Bierkrug.
    »Heute Abend ist Meister Kennit aber sehr gesprächig«, sagte Feival lachend. »Noch ehe das Fass leer ist, wird er uns wieder einmal erklärt haben, warum er der größte lebende Stückeschreiber der ganzen Welt ist.«
    »Oder in seinem eigenen Erbrochenen einschlafen«, warf ein anderer ein.
    »Lasst gut sein«, sagte Birk. »Wir haben einen Gast, und vielleicht hat Tim ja eine bessere Erziehung genossen als Ihr spottsüchtiger Haufen.«
    »Das vermute ich allerdings«, rief Kennit und warf Briony einen sonderbaren Blick zu, bei dem ihr angst und bange wurde. Mit einiger Mühe erhob sich der Stückeschreiber wieder. »Pah! Werter Freund Wolkenritzer, ich sage doch nichts als die Wahrheit. Die Götter selbst, Zosim, Zoria und der kunstfertige Kupilas, waren die ersten Mimen und Bühnenkünstler und wissen um die Weisheit meiner Worte.« Er trank wieder ausgiebig aus seinem Krug und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. Sein Bart glänzte nass im Feuerschein, und die listigen Augen glitzerten. »Wenn der Bauer bebend auf die Knie sinkt, aus Furcht, nach dem Tod in Kernios' Hallen einzugehen, was sieht er dann vor dem inneren Auge? Etwa die plumpen Gemälde an den Tempelwänden, auf denen der Gott so steif wie eine Vogelscheuche dasteht? Oder erinnert er sich an unseren Busenfreund, den turmhohen Birk, Furchteinflößend in wallendem Schwarz, maskiert und gespenstisch, wie er in
Leben und Tod des Königs Nikolos
kommt, um Dandelons Seele zu holen?«
    »Oh, ist das wohl zufällig ein Stück von Nevin Kennit?«, stichelte Feival.
    »Ja natürlich, und besser als all die anderen Historiendramen. Doch ihr habt augenscheinlich nicht begriffen, worauf ich hinauswollte, und steckt noch ebenso tief im Sumpf eurer Unwissenheit wie zuvor.« Kennit wandte sich an Briony. »Weißt
du,
wovon ich spreche, Kind? Was stellen sich die Menschen vor, wenn sie an die großen, beängstigenden Dinge des Lebens denken, an Liebe, Mord oder den Zorn der Götter? Sie denken an die Worte des Dichters, die sorgfältig einstudierten Gesten der Schauspieler und den Donner, den wir mit unseren Trommeln erzeugen — falls Waterman nicht vergisst, seine im rechten Moment zu schlagen.«
    Mitten im allgemeinen Gelächter schüttelte einer der Bärtigen betreten den Kopf — offenbar ein Patzer, den ihn die anderen nie würden vergessen lassen.
    Kennit leerte seinen Krug, füllte ihn sofort wieder auf und fuhr fort: »Wenn sie sich also Götter vorstellen, haben sie uns vor Augen. Wenn sie an Dämonen oder auch Zwielichtler denken, sehen sie unseren Mummenschanz und unser Gaukelspiel vor sich — wobei sich das womöglich ändern könnte, jetzt, da diese Schurken von Qar aus dem Norden herabgekommen sind, um ehrliche Schauspieler um ihren Lebensunterhalt zu bringen.« Kennit hielt inne und räusperte sich, wie um dem Schatten Raum zu geben, der jäh auf ihren Schabernack fiel. »Doch unter uns — das ist nicht der einzige Grund, warum wir Schauspieler und Dichter die gefährlichste Zunft von allen sind. Überlegt einmal! Wenn wir von Dingen schreiben, die nicht sein dürfen, oder sie aussprechen, setzen wir den Leuten dann nicht Ideen in den Kopf, Ideen, die selbst Könige und Königinnen in Panik versetzen können? Die Mächtigen haben stets die größte Angst — fürwahr ein guter Gedanke, jetzt wo ich es sage —, denn sie haben am meisten zu verlieren!« Er wischte sich so grob über den Mund, als seien seine Lippen empfindungslos. »Ist Fälschung nicht in jeder anderen Erscheinungsform ein Verbrechen, für das ein Gericht unbarmherzige Strafen verhängt? Wer Falschgold fabriziert, landet im günstigsten Fall im Gefängnis, oder aber man traktiert ihn mit weißglühenden Eisen oder hängt ihn gar. Kein Wunder,

Weitere Kostenlose Bücher