Das Spiel
Weile war es still.
Du liebst sie.
Ja.
Aber da war ein Missverständnis zwischen ihnen, so etwas wie eine Wolke aus Verwirrung, und wieder entfernte sich die Präsenz des Mädchens.
Geh nicht weg! Ich muss dich sehen. Ich will ...
Da war kein Wort für das, was er wollte — da waren noch nicht mal Gedanken, die er hätte verketten können — aber er wollte einen Daseinsgrund. Er wollte einen Ort, wo er sein konnte, und das Gefühl, dass da jemand auf die Gedanken in seinem Kopf wartete, damit er wusste, das Universum, das die Götter geschaffen hatten, war mehr als nur ein Wispern in endlosem Dunkel.
Ich will ...
Da ist ein Ort um uns herum,
sagte sie plötzlich.
Was meinst du?
Schau doch! Es ist groß, aber es hat Wände. Und da ist ... eine Straße?
Jetzt sah er es auch, zumindest in schwachen Umrissen. Es war ein Raum, nur ein wenig kleiner als das endlose Dunkel, durch das sie gefallen waren, und nur unwesendich heller, aber er hatte Form, und er hatte Grenzen. In der Mitte sah er das, was sie als Straße bezeichnet hatte, einen geschwungenen Streifen Sicherheit über einem erstaunlichen, schrecklichen, dunklen Nichts — einem Nichts, das noch tiefer war als das Dunkel, durch das er gefallen war. Aber dieser schwarze Abgrund unter dem geschwungenen Streifen war nicht einfach nur
nichts,
er war ein Dunkel, das auch alles andere zu nichts machen wollte. Er existierte, aber seine Existenz war eine Bedrohung für alles andere. Er war das schiere
Nichtsein.
Nein, das ist keine Straße,
sagte er, als der eine Streifen von
etwas
sich langsam zu klaren Formen verfestigte.
Es ist eine Brücke.
Und dann standen sie sich auf dem festen Bogen gegenüber, der Junge und das Mädchen, flimmernd und verschwommen wie etwas, das man unter Wasser sieht. Beide waren sie nicht wirklich Kinder, aber sie waren auch nicht einmal annähernd erwachsen. Sie waren schutzlos, ängstlich, aufgeregt, und immer noch neu genug auf der Welt, dass so etwas wie das hier genauso logisch schien wie irgendetwas anderes.
Es waren ihre Augen, die ihn festhielten, obwohl er seinen Blick nicht länger als einen Moment lang auf sie fokussieren konnte — alles hier war unstet, flimmernd und verschwommen, als hätte er sein Sehvermögen durch stundenlanges Lesen erschöpft und es nicht eben erst wiedererlangt.
Was ihn faszinierte, waren nicht die Augen selbst, obwohl sie groß und freundlich waren, braun wie die Augen eines Tiers, das vorsichtig aus der Tiefe des Waldes hervorspäht. Es war vielmehr die Art und Weise, wie ihn ihre Augen festhielten und
sahen.
Selbst in diesem Strudel von Wahnsinn (oder was auch immer ihn verschlungen hatte) sah das braunäugige Mädchen
ihn,
nicht das, was er sagte, was er vorgab oder wofür andere ihn hielten. Vielleicht lag es ja nur daran, dass sie hier an diesem Ort waren, wo es keine Namen gab — vielleicht konnte sie ihn hier ja gar nicht anders sehen —, aber die Art, wie sie ihn ansah, fühlte sich an wie ein gastliches Lagerfeuer, das einen durchgefrorenen, erschöpften Wanderer ruft. Es fühlte sich an wie etwas, das ihn retten konnte.
Wer bist du?,
fragte er wieder.
Ich habe doch gesagt, ich weiß es nicht.
Dann lächelte sie, ein überraschendes Aufscheinen von Belustigung, das ihr ernstes Gesicht in etwas ganz und gar Verblüffendes verwandelte.
Ich bin eine Träumerin, nehme ich an, oder vielleicht auch ein Traum. Einer von uns träumt das hier doch, oder?
Aber das war ein Scherz, das wusste er. Sie war nicht nur eine ätherische Ausgeburt seiner oder ihrer Phantasie — sie war handfest und praktisch. Das spürte er.
Und wer bist du?
Ein Gefangener,
erklärte er ihr und wusste, dass es stimmte.
Ein Heimatloser. Ein Opfer.
Jetzt fühlte er erstmals etwas anderes als Freundlichkeit von ihrer Seite, etwas Säuerliches, das in ihrer Antwort lag.
Ein Opfer? Wer wäre das nicht? Das ist nicht das, was du bist, nur das, was dir widerfährt.
Er war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, wieder ihre freundliche Sanftheit zu spüren, und dem Drang, ihr zu erklären, wie übel ihm das Leben und die Götter mitgespielt hatten. Die Götter? Sie wollten ihn töten!
Du verstehst das nicht,
sagte er.
Bei mir ist es etwas anderes.
Aber er merkte, dass er hier, auf dieser Brücke über das Nichtsein, diesem gewölbten Streifen, der sich nach beiden Seiten zu unerkennbaren Enden hin spannte, nicht erklären konnte, warum das so war.
Ich bin ... nicht richtig. Verkrüppelt. Verrückt.
Falls du erwartest,
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