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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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schloss wieder für einen Moment die roten Augen.
    Als Kernios vertrieben wurde,
erklärte er schließlich,
ließ er alles zurück, was materiell war, alles, was fleischlich oder weltlich war ...
    Vansen war perplex und fragte sich, ob er Gyir richtig verstanden hatte.
Vertrieben?
    »Erklärt es«, sagte Barrick. »Ich bin das Rätselraten leid.«
    Ja, vertrieben. Er und die anderen Götter wurden aus diesen Landen verbannt und ins Reich des Schlafs und des Vergessens gestoßen.
    »Von wem?«
    Ich will es Euch ja alles erklären, aber Ihr dürft mich nicht dauernd mit Fragen unterbrechen — vor allem Ihr nicht, Prinz Kann-nicht-warten, da Ihr so laut sprecht, dass es jeder hört.
Gyirs Ärger zuckte wie Wetterleuchten durch seine Gedanken.
Wir haben Glück — ich spüre, dass niemand in der Nähe ist, der hören kann, was ich in Euren Köpfen sage, oder die Sprache der Sterblichen versteht — aber Ihr dürft das Glück nicht überstrapazieren. Wir sind in schlimmer Gefahr — noch schlimmer, als ich befürchtete.
Der Elbe legte die Finger an die Schläfen, als hätte er Kopfschmerzen.
Bitte, lasst mich da beginnen, wo ich beginnen muss.
Selbst für Vansen, der sich immer noch nicht ganz an diese Form des Gesprächs gewöhnt hatte, war die Verzweiflung in Gyirs Gedanken unverkennbar.
    Prinz Barrick hob kapitulierend die Hand, oder vielleicht war es auch eine Geste des Gewährens.
    Zuerst müsst Ihr etwas über mich und meine Geschichte wissen. Ich bin nicht einfach nur ein Krieger. Ja, das ist sogar das Unwahrscheinlichste, was ich werden konnte. Diejenigen aus meinem Volk, die Euresgleichen von der Gestalt her am ähnlichsten sind — da uns diese Gestalt einst allen gemeinsam war —, werden die »Hohen« genannt, nicht weil die Ähnlichkeit mit den Sonnländern als besonders schön gälte, sondern weil dies die älteste Form der äußeren Erscheinung ist. Doch selbst unter den Hohen gibt es einige, die sich so stark von Euresgleichen unterscheiden, dass Ihr Euch in ihnen kaum wiedererkennen würdet, sei es, weil sie so andersartig geboren wurden oder weil sie ihre äußere Gestalt zu verändern vermögen. Manche von ihnen sind für Euer Volk seit Jahrtausenden Schreckgestalten. Andere wie etwa die Garde der Elementargeister nehmen überhaupt nur dann irdische Gestalt an, wenn es ihnen beliebt, genau wie die Götter.
    Und dann gibt es solche, die zwar aus den mächtigen Familien stammen, wo sich die alte Form der äußeren Erscheinung weitgehend erhalten hat, die selbst aber von Geburt an anders sind — Abnormitäten sogar innerhalb unseres vielgestaltigen Volkes. Ich bin einer von diesen — den Verhüllten, wie man sie nennt. Wir sind mit diesem Gewebe über dem Gesicht geboren und müssen es unser Leben lang tragen, aber dafür haben wir andere Gaben mitbekommen — überdurchschnittlich feine Sinne, ein Gespür, das es uns erlaubt, auch dann noch unseren Weg zu finden, wenn sich selbst die Mächtigen bereits verirrt haben. Innerhalb des
Volkes
werden wir oft geistige Führer, Suchende, die neue Wege erkunden. Manche von uns dienen in der Tiefen Bibliothek im Haus des
Volkes,
das unsere große Hauptstadt ist. Die Bibliothek ist der Ort, wo wir mit den Geistern derer sprechen, die ihren fleischlichen Körper verlassen haben, aber auch mit einigen, die gar nie Fleisch getragen haben. Der Dienst in der Bibliothek ist eine anspruchsvolle und noble Aufgabe.
    Das wäre wahrscheinlich auch meine Berufung gewesen, aber meine Eltern endeten bei Rivalitäten am Hof auf der Verliererseite, und mein Vater wurde umgebracht. Meine Mutter wurde aus dem Haus des
Volkes
vertrieben, von Gefolgsleuten König Ynnirs — wenn man auch gerechtigkeitshalber sagen muss, dass sie nicht immer nach dem Wunsch des Königs handelten und er sie nicht immer zu kontrollieren vermochte. Meine Mutter und ich zogen jahrelang umher und traten schließlich in die Dienste von Yasammez — der Fürstin Stachelschwein, der großen Bilderstürmerin, der Frau, die niemandem gehört als sich selbst. In ihrem Haus in den Wanderwindbergen wuchs ich auf, und als meine Mutter schließlieh der vielen Niederlagen und Enttäuschungen des Lebens müde war und sich dem Tod ergab, kam ich in Yasammez' Heeresdienste, und meine Gaben wurden nicht zu kontemplativen Zwecken genutzt, sondern für kriegerische Belange der Fürstin, die mich aufgenommen und fast wie ihren eigenen Sohn aufgezogen hatte.
    Deswegen ist Kituyik nicht der erste Halbgott, dem ich begegnet

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