Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
mit Weinfässern überladenen Wagens versuchte ohne gültige Erlaubnis in die Hauptburg zu gelangen. Während die Soldaten gut gelaunt die Fracht des keifenden Mannes zu beschlagnahmen begannen, schlüpfte Chert an ihnen vorbei ins Herz der Burg.
    Warum konnte Okros mich nicht wie letztes Mal im Observatorium treffen?,
haderte Chert.
Das liegt doch nur ein paar Hundert Schritt vom Tor zur Funderlingsstadt. Ich wäre längst dort und hätte nicht den Spott der Torwachen über mich ergehen lassen müssen.
Aber die Einbestellung hatte Chert in die Amtsräume des Burgvogts beordert, wo Okros wahrscheinlich anderweitig zu tun hatte.
Hat er den Spiegel etwa quer durch die ganze Burg getragen?
    Chaven Makaros war über das Einbestellungsschreiben seines verräterischen einstigen Freundes hocherfreut gewesen.
»Den Göttern sei Preis«,
hatte er gerufen.
»Also hat Okros die Lösung noch nicht gefunden!«
Der Arzt hatte beim Lesen geradezu vor Erleichterung gezittert.
»Natürlich müsst Ihr wieder zu ihm gehen, Chert. Ich werde Euch sagen, wie Ihr ihn auf verschiedene Fährten locken könnt, die ihn auf Wochen hinaus in die Irre führen werden!«
    Bei der Erinnerung schnaubte Chert verächtlich. Nur weil zwei halbverrückte Ärzte ein Tauziehen um einen Spiegel veranstalteten, musste er quer durch die Südmarksburg marschieren und tausend Demütigungen über sich ergehen lassen! Andererseits musste er zugeben, dass es keine gute Idee gewesen wäre, einer Einbestellung, die das königliche Wappen trug, nicht nachzukommen.
     
    Chert Blauquarz hatte die hehren Hallen des königlichen Palasts nicht mehr betreten, seit er vor zehn Jahren mit einem größeren Arbeitstrupp unter der Führung des alten Hornblende einen Keller ausgehoben hatte, um eine neue Vorratskammer unter den großen Küchen anzulegen. Das war harte Arbeit gewesen und, wenn er jetzt daran zurückdachte, auch etwas seltsam: Der König hatte ihnen sehr enge Vorgaben gemacht, wo sie graben durften, weswegen die neue Vorratskammer eine seltsame Form angenommen hatte, so krumm wie der Hinterlauf eines Hundes. Trotzdem hatte er gute Erinnerungen an diesen Auftrag — es war sein erster als selbstverantwortlicher Vorarbeiter gewesen —, und er wusste noch genau, wie stolz es ihn gemacht hatte, im Palast des Königs zu arbeiten.
    Heute war er allerdings verflucht spät dran. Cherts Mut sank noch tiefer, als er eine Horde Soldaten vor dem Torhaus des Palasts herumlungern sah. Für Chert war es so offensichtlich wie die Scherung einer Basaltwand, dass ihn die Konfrontation mit so vielen Wachen noch mehr Zeit kosten würde. Da er früher oft genug die Burgtore passiert hatte, um die Hügel nahe der Schattengrenze zu erkunden, wusste er aus Erfahrung, dass ein Torwächter allein sich nichts beweisen musste und zwei sich gewöhnlich darauf einigten, sich nicht unnötig Arbeit zu machen, dass aber in größeren Gruppen die Soldaten sich oft vor ihren Kameraden hervortun oder aufspielen wollten — was beides für einen Mann von Cherts Statur, der es noch dazu eilig hatte, fatal war.
    Statt das Haupttor zu nehmen, duckte er sich hinter eine Hecke, die etwa seine Höhe hatte, huschte in den Garten auf der Westseite des Palasts und hielt nach einem unaufwändigeren Zugang Ausschau. Hinter einem kahlen Sträuchergewirr entdeckte er ein Fenster in der Palastmauer, das zu einem der Erdgeschossräume gehörte. Es war zu klein für einen Mann von normaler Größe und selbst für Chert ziemlich knapp, was wohl erklärte, dass es nicht verriegelt war. Er zwängte sich hindurch und hing strampelnd am unteren Rahmenholz, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und er die Entfernung zum Boden abschätzen konnte. Der Raum schien ein Nebengelass der Speisekammer zu sein — überall Fässer und Krüge, aber zum Glück kein Mensch. Er ließ sich fallen und eilte hinaus in den Gang.
    Jetzt kam der schwierige Teil: sich im Palast zurechtzufinden und ungesehen (oder zumindest, ohne dass jemand merkte, dass er die Torwachen umgangen hatte) in die Gemächer des Vogtes zu gelangen. Er atmete erleichtert auf, als er das Ende des ersten langen Flurs erreichte. Inzwischen war es bestimmt schon eine halbe Stunde nach Mittag. Okros würde sehr ungehalten sein.
    Nach einigen Irrwegen — er landete unter anderem in einem Raum, wo etliche überraschte junge Damen über ihren Handarbeiten saßen, und flüchtete unter hastigen Verbeugungen rückwärts wieder hinaus — fand Chert die

Weitere Kostenlose Bücher