Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
Du kannst ihm doch nicht mit einem Matherätsel den Wind aus den Segeln nehmen und dann einfach abhauen.«
12
»W ie bitte?« Nathan konnte nicht glauben, was er da hörte. »Ich sehe das Problem nicht.«
»Du hast in seinem Unterricht geschlafen.« Alyssa schüttelte den Kopf. »Du solltest doch allmählich wissen, dass er das nicht ausstehen kann.«
Woher weiß sie bloß diesen ganzen Mist? Die muss ihre Spione überall haben.
»Mir blieb nichts anderes übrig.«
»Als zu schlafen?« Alyssa runzelte die Stirn. »Vielleicht solltest du es mal mit der Schlafenszeit normaler Menschen versuchen.«
»Mir blieb nichts anderes übrig, als Mr Lloyd mit dem Matherätsel den Wind aus den Segeln zu nehmen«, sagte er. »Wenn er mich dabei erwischt hätte, wie ich im Unterricht schlafe …«
»Das hat er ja. Du hast geschlafen.«
Nathan zuckte mit den Achseln. »Ich hätte nachsitzen müssen. Und das hätte bedeutet, dass ich die …« Er malte Anführungszeichen in die Luft und legte so viel Sarkasmus in seine Worte, wie er konnte. »…› Überraschungs party‹ verpasst hätte.«
»Das ist ja wohl nicht Mr Lloyds Problem. Du hast seinen Unterricht gestört und er hat das getan, was für dich am besten war.«
»Mich nachsitzen zu lassen? Spinnst du?«
»Jedenfalls hat er nicht verdient, was du ihm zugemutet hast.«
»Ich habe ihm nichts zugemutet.«
Alyssa starrte ihn nur an.
»Er behauptet doch immer, in der Mathematik liege die Lösung für sämtliche Probleme.«
Nathan versuchte vergeblich, das Wasser abzuschütteln, das sein Kapuzenpulli aufgesogen hatte.
»Er ist ein guter Lehrer und ein hervorragender Mathematiker. Gib ihm ein bisschen Zeit, dann wird er schon hinter deinen kleinen Trick kommen.«
»Es ist nicht mein Trick. Ich hab ihn mir nur ausgeliehen.« Irgendwie war es einfacher, sein Verhalten zu rechtfertigen, wenn er sagen konnte, dass die Falle, die er Mr Lloyd gestellt hatte, nicht auf seinem eigenen Mist gewachsen war. Nathan realisierte, dass Mr Lloyd sauer war, weil er nicht recht behalten hatte. Er war nun einmal gern im Recht. Unrecht zu haben, musste bei ihm ein ähnliches Gefühl auslösen wie bei Nathan, wenn er eine Frage bei Nanover oder Transformers nicht beantworten konnte.
»Du wirst dich bei ihm entschuldigen.«
»Wofür denn? Dafür, dass ich mehr drauf hab als er?« Nathan wurde langsam sauer. Ziemlich einfach, wenn man triefend nass in der Gegend herumstand.
»Behauptet der Junge, dessen Kopf man eben erst als Toilettenbürste zweckentfremdet hat.«
Nathan atmete tief durch und bereute es auf der Stelle. Sein Atem roch nach Urinstein, durchsetzt mit Pinienduft. »Vielleicht ist das hier nicht unbedingt der angemessene Ort für ein Gespräch wie dieses.«
»Seit wann bist du Experte für irgendetwas, das angemessen ist?«
»Um zu wissen, was unangemessen ist, musst du erst einmal wissen, was angemessen ist. Nicht unangemessen kann nur etwas sein, dessen Grundlage zerstört werden kann. Du hast dir deine Frage selbst beantwortet. Ich weiß, was angemessen ist. Und diese Situation hier ist es nicht.« Wortspiele waren das Gebiet, auf dem es Nathan locker mit Alyssa aufnehmen konnte, und er nutzte die Gelegenheiten, wenn sie sich ihm boten.
Die Tür sprang auf und ein anderer Siebtklässler, den Nathan nicht kannte, kam herein. Als er Alyssa sah, blieb er stehen und warf einen Blick auf das Schild an der offen stehenden Tür.
»Raus.« Alyssa drehte sich nicht einmal nach dem Jungen um.
»Aber ich bin richtig hier.« Der Junge deutete auf das Türschild. »Du bist …«
»Willst du, dass dir das Gleiche passiert wie ihm?« Alyssa zeigte auf Nathan.
Ein rascher Blick und der Junge schüttelte den Kopf. »Nein.«
»He, he.« Nathan winkte protestierend ab. Das Letzte, was er brauchen konnte, war, dass alle in der Schule dachten, ein Mädchen hätte ihm den Kloschüsselauftritt verschafft. »Sie war das nicht. Im Ernst. Ein Mädchen würde das bei mir nicht schaffen.«
Der Junge zeigte kein Interesse an irgendeiner weiterführenden Erklärung und verließ den Waschraum.
Jemand klopfte. »Hier ist Direktorin Masterson. Ich komme jetzt rein.«
Nathan seufzte resigniert. Ich hätte meinen Lunch mitnehmen sollen. Er inhalierte eine frische Brise von dem mit Pinienduft versetzten Toilettenwasser und trat dann aus der Tür seiner Kabine, um sich seiner Henkerin zu stellen.
Die Direktorin Masterson öffnete die Tür und betrat ohne Zögern den Waschraum. Sie war eine
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