Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
muss jetzt gehen.«
»Okay«, sagte Nathan. »Ich find es ziemlich cool hier.«
»Ich werde versuchen, die nötigen Genehmigungen so schnell wie möglich durchzuboxen, damit du bald wieder hier unten sein kannst.« Nathan verabschiedete sich ein bisschen hölzern und lief die Straßehinunter. Als sein Handy klingelte, musste er nicht erst aufs Display schauen, um zu wissen, dass es Alyssa war. Er entschied sich, nicht ranzugehen, aber dann wurde ihm klar, dass sie nicht aufgeben würde, und er änderte seine Meinung. Ihm graute vor dem, was jetzt kam, aber trotzdem nahm er ab und hielt sich das Handy ans Ohr. »Hallo?«
16
»W obitte steckst du?«, wollte Alyssa wissen.
»Bin unterwegs. Da war …« Nathan unterbrach sich, weil er merkte, dass es nicht wirklich etwas zu erzählen gab.
»Was war?«
»Ach nichts.«
»Ich habe dich von dem Nachsitzen heute Nachmittag losgeeist, damit du hier, zu Hause, sein kannst. Und zwar pünktlich.«
Nathan seufzte und sah bedauernd zur Ausgrabungsstätte zurück. Er war sich nicht sicher, ob es sich gelohnt hatte, hierherzukommen. Er trottete zum Gehweg hinüber, streifte das Armband ab und schleuderte es auf das Pflaster. Irgendwo auf dem Weg nach unten verwandelte es sich wieder in das Skateboard und landete, schon rollend, auf seinen Rädern. Nathan sprang mit routinierter Leichtigkeit auf, stieß sich einige Male mit dem Fuß ab und sauste dann schneller denn je den Gehweg entlang. Das Board war großartig. »Bin unterwegs. Ich bin gleich da.«
»Du solltest schon längst hier sein.«
»Ich brauche nicht mehr lange. Verdammt.« Nathan umfuhr perfekt die nächste Straßenecke und schoss genau in dem Moment über die Kreuzung, als die Ampel gelb wurde. Er legte schnell auf und steckte das Handy in die Hosentasche.
Alyssa versuchte noch zwei Mal, ihn zu erreichen. Danach schrieb sie ihm ein paar ziemlich derbe SMS, die Nathan ignorierte. Schließlich gab sie es auf. Nathan war inzwischen völlig eins mit dem Skateboard geworden und kam schneller voran als die die Straßen entlangjagenden Autos. Obwohl er ja eigentlich nur wegen dieser dämlichen Party so schnell nach Hause fuhr, musste er grinsen. Er fühlte sich auf dem Board, als ob er fliegen könnte, genauso wie in seinen Träumen.
Nathan war Chicagos Antwort auf den Silver Surfer aus den Marvel Comics.
W eniger als dreißig Minuten später – eine persönliche Bestleistung – kam Nathan in seinem Viertel an. Noch zwei Kurven und er befand sich auf direktem Kurs zu seinem Haus. Auf die Geburtstagsparty freute er sich nicht, aber er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er sich nach diesem Tag einfach in seinem Zimmer verkriechen könnte. Denn nicht einmal die Geschwindigkeit des Skateboards hatte den Gedanken an Montoyas Leiche im Wartungstunnel verjagen können.
Die Fragen schossen ihm schneller durch den Kopf als Popcorn, das in der Mikrowelle leicht und fluffig explodiert. Warum nur war Montoya allein dort unten gewesen? Wer hatte ihn erschossen? Warum im Wartungstunnel? Und warum sollte ihn jemand umbringen?
Endlich gelang es Nathan, alle Fragen zur Seite zu schieben. Spiel hin oder her, er wusste ja gar nicht, wie man in einem Mordfall ermittelte. Nicht die leiseste Ahnung hatte er.
Aber du kennst jemanden, der es weiß, stimmt’s? Augenblicklich dachte Nathan an Officer Montoya. Der Mann würde wohl wissen, wie man an eine Untersuchung heranging und welche Fragen man stellen musste.
Nathan behagte es ganz und gar nicht, dass ihm die Antwort so schnell eingefallen war. Denn tatsächlich war er ja in der Lage, mit Officer Montoya zu sprechen, auch wenn ihm bei dieser Vorstellung angst und bange wurde.
Einfach ein Videospiel spielen und abschalten – klang das nicht wesentlich besser, als mit Polizisten reden zu müssen, die Frequenzenwesen waren und vielleicht sogar mal Schurken?
Was war, wenn Professor Felicima unrecht hatte und Officer Montoya ein …
Nathan unterbrach diesen Gedanken. Er hatte keine Ahnung, was seine Mutter – Professor Felicima – von Officer Montoya hielt. Über ihn hatte sie nichts gesagt.
Andererseits musste er das Spiel ja auch gar nicht spielen. Wenn es darauf hinauslief, dass er mit Toten sprechen musste, dann wollte er es ganz bestimmt nicht spielen. Was wiederum nicht bedeutete, dass damit automatisch auch das Grauen verschwinden würde. Und, wenn er ehrlich war, dann sollte es auch gar nicht ganz verschwinden, sondern nur diejenigen Anteile, die immer wieder in
Weitere Kostenlose Bücher