Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens
marschierten sie tiefer ins Revier des Emiava. Als sie im Laufe des Vormittags an einem Bach haltmachten, kniete Onrack sich hin und wusch sich rituell die Hände. Zumindest nahm Trull an, dass es ein Ritual war, obwohl es genauso gut auch nur ein weiterer Augenblick atemloser Verwunderung sein konnte, die Onrack gelegentlich zu befallen schienen - und das war keine Überraschung; Trull vermutete, dass er nach einer solchen Wiedergeburt monatelang ziellos durch die Welt getorkelt wäre. Natürlich denkt er nicht wie wir. Was meine Gedankengänge angeht, bin ich diesem Menschen - dem Schnellen Ben - viel näher als irgendeinem Imass, sei er tot oder lebendig. Wie kann das sein?
Onrack stand auf und sah sie an. In einer Hand hielt er seinen Speer, in der anderen sein Schwert. »Wir nähern uns dem Bau des Emiava. Obwohl er schläft, spürt er uns. Heute Nacht will er einen von uns töten. Ich werde jetzt seinen Anspruch auf dieses Revier anfechten. Wenn ich versage, kann es gut sein, dass er euch in Ruhe lässt, denn dann wird er mich fressen.«
Aber der Schnelle Ben schüttelte den Kopf. »Du wirst das nicht allein tun, Onrack. Zugegeben, ich bin mir nicht ganz sicher, wie meine Zauberei hier wirken wird, aber verdammt - das ist schließlich nur eine dumme Katze. Ein blendender Lichtblitz, ein lautes Geräusch …«
»Und auch ich werde mich dir anschließen«, sagte Trull Sengar. »Am Anfang werden wir die Speere benutzen, ja? Ich habe schon gegen so manchen Wolf gekämpft. Wenn er uns angreift, werden wir ihn mit den Speeren abwehren. Und dann, wenn er verwundet oder verstümmelt ist, machen wir ihn mit den Schwertern fertig.«
Onrack musterte sie mehrere Herzschläge lang, dann lächelte er. »Ich sehe, dass ich euch nicht davon abbringen kann. Aber was den Kampf an sich angeht, dürft ihr euch nicht einmischen. Ich glaube nicht, dass ich versagen werde, und ihr werdet schon bald sehen, warum nicht.«
Trull und der Magier folgten dem Imass einen Hang hinauf - eine breit aufgefächerte Sanderfläche, die den größten Teil einer Gletscherspalte ausfüllte -, umgeben von mit Flechten bewachsenem, schräg geneigtem und zerklüftetem Grundgestein. Hinter dem schwarzen Felsvorsprung erhob sich eine nackte Mauer aus grauem Schiefer, die von Höhlen durchzogen war - eine Folge der immerfort fließenden Schmelzwasserströme, die die Ablagerungen weggespült hatten. Der Bach, in den Onrack am Vormittag seine Hände getaucht hatte, entsprang an dieser Klippe; er bildete einen Teich in einer Höhle, der sich ausdehnte und eine ganze Senke füllte, bevor er weiter nach unten strömte. Rechts davon war eine weitere dreieckige Höhle, deren eine Seite von einem Felsrutsch des Schieferdeckgesteins gebildet wurde. Die ebene Fläche davor war mit zersplitterten Knochen übersät.
Als sie um den Teich herumgingen, blieb Onrack auf einmal stehen und hob eine Hand.
Eine wuchtige Gestalt war in der Höhlenmündung erschienen und füllte sie ganz aus.
Drei Herzschläge später kam der Emiava aus der Höhle heraus.
»Beim Atem des Vermummten«, flüsterte der Schnelle Ben.
Trull hatte eine Raubkatze erwartet, die sich nicht sonderlich von einem Berglöwen unterschied - vielleicht eine von den schwarzen, die gerüchteweise tief in den größeren Wäldern seiner Heimat leben sollten. Die Kreatur, die jetzt in sein Blickfeld trottete und sich den Schlaf aus den dunkelgrauen Augen blinzelte, hatte die Größe eines Braunbären der Ebene. Ihre gewaltigen oberen Reißzähne ragten weit über den Unterkiefer hinaus; sie waren so lang wie das Messer eines Jägers und schimmerten bernsteinfarben. Der Kopf war breit und flach, die Ohren klein und weit nach hinten versetzt. Hinter dem kurzen Hals wölbten sich die Schultern des Emiava auf, bildeten eine Art Buckel aus Muskeln. Sein Fell war gestreift, schwarze Streifen auf dunkelgrauem Grund, aber an seiner Kehle blitzte ein weißer Fleck auf.
»So, wie der gebaut ist, sieht er nicht aus, als wäre er besonders schnell, oder?«
Trull blickte zum Schnellen Ben hinüber und sah, dass der Magier einen Dolch in der Hand hielt. »Wir sollten dafür sorgen, dass du einen Speer bekommst«, sagte der Tiste Edur.
»Ich werde einen von deinen nehmen - wenn es dir nichts ausmacht.«
Trull ließ das zusammengeschnürte Bündel von seiner Schulter gleiten. »Such dir einen aus.«
Der Emiava beobachtete sie. Dann gähnte er, und in diesem Augenblick huschte Onrack halb geduckt ein bisschen weiter
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