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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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geprallt, dass sie ihn zur Hälfte längs gespalten hatte. Bolzen flogen durch die Luft, Ketten glitten durch eiserne Ösen, rollten sich auf dem Boden zusammen.
    Der Hauptmann stand jetzt wackelig auf seinen Beinen, umklammerte die Pfeiler des Balkongeländers. Er konnte sehen, wie seine Ritter sich wieder formierten, wie sie ihm die Köpfe zuwandten, ihn beobachteten, auf seinen Befehl warteten. Aber er konnte sich nicht bewegen. Stechende Schmerzen schossen von den missgestalteten Knochen seiner Füße aus durch seine Beine. Er hielt sich mit seinen schwachen Händen an den verzierten Pfeilern fest. Ameisen schwärmten durch seinen Schädel.
    Die Geister waren fort.
    Geflohen.
    Er war allein. Er war leer.
    Er taumelte zurück und ließ sich auf seinen Thron fallen.
    Er sah einen seiner Sergeanten vorreiten, näher an den Riesen heran, der jetzt dastand und sich auf sein Schwert stützte. Die Schreie der Sklaven wurden schwächer, und diejenigen, die von ihren Fesseln befreit waren, stolperten seitwärts davon; manche von ihnen fielen auf die Knie, als würden sie sich einem neuen König, einem Usurpator unterwerfen. Der Sergeant zügelte sein Pferd und begann, mit dem Riesen zu sprechen. Beider Augen befanden sich auf gleicher Höhe.
    Der Hauptmann war zu weit weg. Er konnte nichts hören, aber er wollte unbedingt wissen, was gesprochen wurde. Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus, tränkte sein feines Seidengewand. Fieberschauer jagten durch ihn hindurch, ließen ihn erbeben. Er schaute auf seine Hände und sah, dass Blut aus den alten Wunden quoll, die sich erneut geöffnet hatten, auch die an seinen Füßen, von denen das Blut in die weich gepolsterten Pantoffeln lief. Plötzlich erinnerte er sich wieder daran, wie es war, über das Sterben nachzudenken, loszulassen, aufzugeben. Ja, dort, im Schatten der Pappeln …
    Der Sergeant packte die Zügel und ritt in leichtem Galopp zum Palast.
    Er zügelte sein Pferd, schwang sich mit rasselnder Rüstung aus dem Sattel und nahm den Helm mitsamt Visier ab. Dann stieg er die Stufen hinauf.
    »Hauptmann. Herr. Der Narr behauptet, dass die Sklaven jetzt frei seien.«
    Als der Hauptmann in die blauen Augen des Soldaten starrte, in denen nichts als Unglaube und völlige Verblüffung zu sehen war, verspürte er so etwas wie Mitleid. »Er ist es, nicht wahr?«
    »Herr?«
    »Der Feind. Der Mörder meiner Untertanen. Ich spüre es. Die Wahrheit … ich sehe sie, ich spüre sie. Ich schmecke sie!«
    Der Sergeant sagte nichts.
    »Er will meinen Thron«, flüsterte der Hauptmann und hob die blutenden Hände. »Was glaubst du, war das alles nur dafür? Alles, was ich getan habe – war das nur für ihn?«
    »Hauptmann«, sagte der Sergeant mit rauer Stimme. »Er hat Euch verzaubert. Wir werden ihn niederhauen.«
    »Nein. Du verstehst nicht. Sie sind fort!«
    »Herr …«
    »Schlagt ein Lager auf, Sergeant. Sag ihm – sag ihm, dass er zum Abendessen mein Gast sein wird. Mein Gast. Sag ihm … sag ihm … mein Gast, ja, genau das.«
    Der Sergeant, der in der Tat ein vortrefflicher Soldat war, salutierte und ging davon.
    Eine weitere Geste mit einer fleckigen, tropfenden, kaputten Hand. Zwei Zofen kamen herausgekrochen und halfen ihm auf die Beine. Er schaute auf eine hinunter. Eine Kindaru, drall und mollig und mit einem Gesicht, das an eine Fuchsschnauze erinnerte – er sah, dass sie den Blick unverwandt auf das blutende Anhängsel am Ende des Armes, den sie stützte, gerichtet hatte, und sich die Lippen leckte.
    Ich sterbe.
    Nicht in hunderten von Jahren. Noch ehe dieser Tag vorüber ist, werde ich tot sein. »Sorgt dafür, dass ich vorzeigbar bin«, keuchte er. »Er soll nicht beschämt werden, versteht ihr? Ich will kein Mitleid. Er ist mein Erbe. Er ist gekommen. Endlich ist er gekommen.«
    Die Zofen, die jetzt beide furchtsam ausschauten, halfen ihm nach drinnen.
    Und immer noch schwärmten die Ameisen.
    Die Pferde standen im Kreis; sie hatten die Köpfe gesenkt und fraßen Gras und schlugen mit den Schweifen nach Fliegen. Der Ochse stand ganz in der Nähe, immer noch im Joch, und beobachtete sie. Kedeviss, die mit verschränkten Armen an einem der Räder des Wagens lehnte, schien den grauhaarigen Fremden mit dem gleichen gelassenen, leeren Blick zu betrachten.
    Nimander wusste, wie sehr das täuschen konnte. Von ihnen allen – von den kläglich wenigen, die noch übrig waren – sah sie am klarsten, mit einer Schärfe, die fast jeden einschüchterte, der ihrem Blick

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