Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
gebe, Lady Blanche, und weiteratmet, wenn ich es sage. Atmet mit ihr, dann geht es besser.«
Blanche tat, was in ihrer Macht stand, aber sie konnte nichtfeststellen, dass es viel nützte. Megan litt Höllenqualen, und nach drei weiteren Stunden war Blanche überzeugt, ihre junge Cousine sterben zu sehen. Megans Gesicht wurde bleich, der Schweiß kalt, und selbst Meredith konnte nicht länger so tun, als bereite der Blutverlust ihr keine Sorgen. Dann endlich verkündete die Hebamme, sie sehe den Kopf kommen.
Oh, gepriesen sei die Jungfrau, dachte Blanche, nun ist es beinah geschafft.
Aber sie täuschte sich. Megans Martyrium zog sich noch einmal eine Stunde hin. Sie blutete und blutete, und das Kind steckte fest.
»Zu eng«, hörte Blanche die Hebamme und die Mägde murmeln, und schließlich fasste Meredith mit Daumen und Zeigefingern beherzt die winzigen Schultern und zog.
Was sie schließlich in Händen hielt, war unvorstellbar klein und blutverschmiert. Meredith band die Nabelschnur auf einem halben Spann Länge ab und durchtrennte sie dann mit einem scharfen Messer, das zuvor in Weihwasser getaucht worden war. Das Neugeborene regte sich, gab jedoch kaum mehr als ein klägliches Wimmern von sich.
»Ein Junge«, sagte Meredith, aber keine Freude schwang in ihrer Stimme.
Blanche ignorierte den Tonfall. »Megan, hast du gehört? Es ist ein Sohn.« Sie bekam keine Antwort. »Megan?« Sie rüttelte die junge Mutter zaghaft an der Schulter. Nichts.
»Oh, Jesus, Maria und Josef, bitte nicht«, flüsterte sie. Furchtsam legte sie Megan die Hand aufs Herz. Es schlug. Langsam und schwach, so schien es ihr, aber es schlug. »Sie ist bewusstlos, Meredith.«
Die Hebamme überreichte das Neugeborene einer ihrer Helferinnen. »Hier. Badet ihn und seht zu, dass ihr Mund und Nasenlöcher säubert, hört ihr?« Dann trat sie neben Blanche und beugte sich über Megan, ergriff die schlaffe Linke und fühlte ihren Puls. »Hm. Das gefällt mir nicht. Ich habe noch nie erlebt, dass eine Mutter ausgerechnet in diesem Moment ohnmächtig wird.«
Blanche hatte das Gefühl, sie müsse Megan in Schutz nehmen. »Es hat ihr zu viel abverlangt. Sie ist … sie ist erst dreizehn.«
Meredith hob kurz die Schultern, und für einen Moment war ihr Gesicht so abweisend wie das der alten Hebamme vorhin. »Mit dreizehn hatte ich schon zwei.«
»Ist das wahr?«, fragte Blanche. Es interessierte sie im Augenblick nicht wirklich, aber sie war verblüfft, weil sie immer geglaubt hatte, dass die einfachen Frauen nicht so früh verheiratet wurden wie adlige Damen.
»Meinem Verlobten war eine Sau verendet, und er konnte nicht länger auf die Mitgift warten. Er hat mich eines Sonntags aus der Kirche geführt, als niemand hinschaute. Er wolle mir etwas zeigen, hat er gesagt. Na ja, das hat er dann auch getan. Hinter dem Stall des Pfarrhauses, zwischen Misthaufen und Hühnerhaus. Da war ich elf. Mein Vater war wütend, aber er musste ja froh sein, dass mein Verlobter mich noch nahm, nicht wahr?« Sie beugte sich wieder über Megan und rieb ihr die Hände. »Sie wird’s schon schaffen, Lady Blanche. Der Damm ist ziemlich weit gerissen, aber ich werd ihn mit Butter und Wein salben und dann nähen. Ich hab extra einen Seidenfaden dafür bereitliegen.«
Blanche unterdrückte ein Schaudern, aber ihrer Stimme war der Schrecken nicht anzuhören, als sie bat: »Tu es, solange sie noch ohnmächtig ist.«
Meredith nickte. »Es ist der Junge, um den ich mich sorge. Wenn Ihr mir einen Gefallen tun wollt, tragt ihn in die Kapelle und findet einen Priester, der ihn tauft. Ich bin ehrlich nicht sicher, wie lange er leben wird.«
Blanche spürte eine eigentümliche Kälte in ihrem Innern, die sie noch nicht kannte. Wie Raureif auf ihrer Seele. »Du glaubst, er stirbt?«
Meredith antwortete nicht direkt. »Wisst Ihr, wie er heißen soll?«
»Ja.« Julian hatte es ihr gesagt.
»Dann geht, Mylady. Je eher, desto besser.«Es war sehr still auf Pembroke Castle geworden, seit Jasper und Julian es verlassen hatten. Viele der Ritter hatten sie begleitet, und das übliche Hofvolk aus Schreibern, Mönchen, Musikern, Gauklern, Bittstellern und Tagedieben, das es in Wales ebenso zu geben schien wie in England, hatte sich zerstreut. Auf dem Weg über den windgepeitschten Burghof traf Blanche keine Menschenseele. Der Sonnenuntergang war nicht mehr fern, und sie spürte, wie die Kälte sich durch den dünnen Stoff ihres Kleides biss. Es würde wieder eine bitterkalte Nacht
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