Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
getrunken, Sir.«
»Du glaubst, ein Säugling braucht den Schutz der Kirche dringender als Milch, ja? Wo ist seine Amme?«
»Ich weiß es nicht.«
»Nein? Kannst du mir wenigstens sagen, wo seine Mutter ist, oder weißt du auch das nicht?«
Plötzlich stand Jasper neben Blanche. »Ich glaube, das ist genug«, knurrte er. Nie zuvor hatte Blanche gehört, dass ein Sohn so mit seinem Vater sprach. Es schockierte sie ein wenig. Doch die Tudors schienen beide nichts Besonderes daran zu finden. »Megan ist in ihrer Kammer im Westturm«, fügte Jasper hinzu, »und ich schätze, die Frauen haben inzwischen nach der Amme geschickt.«
Owen Tudor wandte sich schnaubend ab. Liebevoll, geradezu ehrfürchtig, so als halte er den Heiligen Gral in Händen, trug er seinen Enkel zur Tür der Kapelle und verschwand mit ihm in der Abenddämmerung.
Blanche wandte Jasper den Rücken zu und wischte sich mit dem Handballen verstohlen die Tränen weg. »Er hat Recht«, murmelte sie vor sich hin. »Ich bin ein Schaf. Aber ich verstehe nichts von Säuglingen, und die Hebamme, die du ausgesucht hattest, war so ein schrecklicher Drachen, dass ich sie weggejagt habe. Sie hat Megan so zugesetzt, ich konnte das nicht mit ansehen. Aber vielleicht war es ein Fehler. Sie hätte bestimmt dafür gesorgt, dass …«
»Unsinn«, unterbrach er sie schroff. »Mein Vater ist so verzweifelt über Edmunds Tod, dass er für jeden Sündenbock dankbar ist, an dem er es auslassen kann. Das ist alles. Du hast nichts falsch gemacht.«
Sie warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Woher willst du das wissen? Du verstehst nicht mehr davon als ich.«
»Nein«, räumte er mit diesem Beinah-Lächeln ein, das so typisch für ihn war. Es verzog seine Mundwinkel für einen winzigen Moment nach oben und ließ seine dunklen Augen funkeln, aber es verging so schnell wie ein Wetterleuchten. »Komm, lass uns hier verschwinden. Es ist kalt.«
Er hielt ihr die Tür auf, und Blanche trat willig vor ihm in den Burghof. »Besser, ich gehe zurück zu Megan.«
»Wie ist es ihr ergangen?«, fragte Jasper ohne erkennbare Verlegenheit.
»Fürchterlich. Du weißt ja, wie sie ist. Sie lässt sich nicht so leicht gehen, aber es war … ein bisschen mehr, als sie aushalten konnte. Ein paar Mal habe ich gedacht, sie stirbt. Zwischendurch hat sie geschworen, sie werde nie wieder heiraten und ein ewiges Keuschheitsgelübde ablegen … Aber wahrscheinlich sollte ich dir so etwas nicht erzählen, nicht wahr?«, fügte sie hinzu.
»Warum nicht?«
»Es gehört sich nicht.« Sie machte eine vage Geste. »Frauenangelegenheiten.«
»Ah.« Jasper nickte, nahm den Mantel ab und legte ihn ihr um die Schultern. »Nun, niemand kann sie hindern, ein Keuschheitsgelübde abzulegen, aber wenn sie sich und ihren Sohn schützen will, wird sie wieder heiraten müssen.«
Blanche zitterte vor Kälte, trotz seines Mantels. »Lass uns abwarten, ob Henry am Leben bleibt, ehe wir uns um seine Zukunft sorgen.«
Henry Tudor war es bestimmt, die Welt um sich herum manches Mal in Atem zu halten, und er fing gleich am ersten Tag seines Lebens damit an. Eine Woche lang bangten seine Mutter, sein Onkel, sein Großvater, seine Patin und der ganze Haushalt um ihn. Er wirkte so vergänglich wie eine Schneeflocke im Feuer, und er trank lustlos. Er sei viel zu klein und zu leicht, hatte Meredith ihnen unverblümt eröffnet. Aber er starb nicht. Mit einer grimmigen Entschlossenheit, die Blanche an seinen Onkel Jasper erinnerte, klammerte der Winzling sich an sein Leben, und kurz nach Mariä Lichtmess begann er endlich zuzunehmen. Das werde auch Zeit, konnte man Jaspers junge Ritter in der Halle munkeln hören, denn sie alle beneideten den kleinen Henry um das Privileg, an den Brüsten der jungen Amme saugen zu dürfen, und hatten gelegentlich darüber gefrotzelt, dass so viel Schönheit an einen so jungen Mann völlig verschwendet sei.
»Fragt sich nur, wie lange uns die Dienste der schönen Generys erhalten bleiben«, unkte Owen Tudor.
Jasper sah stirnrunzelnd von dem dampfenden Weinbecher auf, über dem er seit mindestens einer Viertelstunde schweigend brütete. »Wieso?«
Sein Vater zog die Brauen hoch. »Weil sie sich mit jedem auf dieser Burg einlässt, der nicht rechtzeitig die Flucht ergreift, und das tun nicht sehr viele. Die wenigsten Männer sind so gegen die Lockungen weiblicher Schönheit gefeit wie du, mein Sohn.«
Jasper brummte. »Mir ist gleich, was sie treibt, solange sie den Jungen
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