Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Stirn und stieß hörbar die Luft aus. »Aber wie … wie ist das möglich?«
»Sie hat ›ja‹ gesagt«, berichtete Lucas. »Man musste die Ohren aufsperren, denn es war nur ein Flüstern, aber sie hat es gesagt. Und du … hast genickt.«
»Genickt«, wiederholte Julian.
»Ganz recht. Zwei von Hastings’ Helden hielten dich aufrecht, und als du an der Reihe warst, hat einer dich bei den Haaren gepackt und mit deinem Kopf genickt. Das fand der hochehrenwerte Bischof von Exeter offenbar ausreichend.«
Julian ging ein paar Schritte auf unsicheren Beinen Richtung Fluss. Dort sank er wieder ins Gras, fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und lachte leise. Er konnte nicht anders. Die Situation war zwar alles andere als erheiternd, und er war schockiert darüber, wie übel man ihm mitgespielt hatte. Aber die Vorstellung, dass zwei Kerle ihn wie eine übergroßeStoffpuppe gehalten und mit seinem Kopf genickt hatten, hatte eine unwiderstehliche Komik. »Ich wette, ich war der würdevollste Bräutigam, den Westminster seit langen Jahren gesehen hat«, bemerkte er.
Seine Ritter setzten sich zu ihm, und zumindest Lucas sah aus, als kämpfe er ebenfalls gegen Heiterkeit. Tristan Fitzalan hingegen hatte jeden Humor verloren. »Bischof Neville, dieser elende Heuchler, hat nicht einmal davor zurückgeschreckt, deine Braut zu fragen, ob sie ihre Entscheidung auch wirklich aus freien Stücken getroffen habe«, berichtete er angewidert.
Julians Miene wurde schlagartig ernst. »Wo ist sie überhaupt?« Er sah sich um, als erwarte er, seine ungeliebte Gemahlin werde plötzlich wie eine Fee aus dem Gras springen.
»Weiß der Henker«, antwortete Lucas achselzuckend. »Soll ich sie suchen gehen?«
Julian hob abwehrend die Hand. »Das sollte ich wohl lieber selbst tun. Holt die Pferde, wenn ihr so gut sein wollt. Ich werde keinen Augenblick länger als nötig hierbleiben.«
»Julian, du hast ziemlich was abgekriegt. Du kannst jetzt nicht nach Waringham reiten«, mahnte der vernünftige Tristan.
»Aber nach Farringdon. Vielleicht … könntest du vorausreiten? Die Bäckerin bitten, die Mägde zusammenzutrommeln? Sag ihr, ich komme mit meiner Braut«, schloss er spöttisch, aber als er leise hinzufügte: »Gott steh mir bei«, klang er eher verzweifelt.
Er fand sie in der Kapelle. Das kühle Halbdunkel im Innern war noch geschwängert vom Weihrauch der Brautmesse, die Julian trotz körperlicher Anwesenheit komplett versäumt hatte.
Janet stand an einer Säule links vor dem Altar, die Hand auf den kunstvoll behauenen Stein gelegt. Sie hielt sich kerzengerade, und ihre Haltung schien eher herausfordernd als demütig. Heute war das erste Mal, dass Julian sie nicht in Trauerkleidung sah. Sie trug ein Kleid von der Farbe frischer Sahne, aber zwei längliche, rotbraune Flecken unterhalb der Schultern hatten die kostbare Seide besudelt. Julian verzog angewidert den Mund,doch als er zu ihr trat, gab seine Miene überhaupt nichts preis. »Lady Janet?«
Sie wandte sich nicht um. »Fahrt zur Hölle.«
»Irgendwann vermutlich«, erwiderte er leichthin, »aber nicht heute. Darum würde ich Euch gern … heimführen.« Er biss sich auf die Unterlippe. »Ich habe genug von der Gastlichkeit in Westminster und will so bald wie möglich von hier verschwinden.«
Sie wandte endlich den Kopf und sah ihn an. Ihr Gesicht war so bleich, dass einem angst davon werden konnte. Die Haut spannte sich über den ausgeprägten Wangenknochen, und die meergrauen Augen strahlten unnatürlich, so als hätte sie Fieber. Das blonde Haar, das in Flechten unter der cremeweißen, golddurchwirkten Haube hervorhing, war in der Stirn feucht. »Wenn Ihr glaubt, dass ich auch nur einen Schritt mit Euch gehe, seid Ihr verrückt.«
Julian hatte eine scharfe Antwort auf der Zunge, aber er beherrschte sich. Er sah, dass sie Schmerzen litt. Ihr ging es viel schlechter als ihm. Er konnte sie nicht ausstehen, er hätte vor Wut die Wände erklimmen können, weil er sie nun am Hals hatte, er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte, und deswegen war er wütend auf sie – aber trotzdem bedauerte er sie. Er wehrte sich gegen das Gefühl, denn es schwächte seine Position, und er glaubte auch nicht, dass sie sein Mitgefühl verdient hatte. Er musste allerdings feststellen, dass es nicht viel gab, was er dagegen tun konnte. »Ich glaube, Ihr wäret gut beraten, Eure Meinung zu ändern, Madam«, entgegnete er kühl. »Euer Bruder wäre sicher nicht erfreut, wenn
Weitere Kostenlose Bücher