Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
sich neben ihn ans Gatter. »Aber es gehört nicht zu den Dingen, über die die Bauern für gewöhnlich mit Leuten wie uns reden.«
»Kann sein«, sagte Roland. Er hob die Hand und winkte Melvin zu, der aus dem großen Stallgebäude kam und Richtung Mönchskopf verschwand. »Mit mir reden die Bauern. Ich hab Freunde im Dorf, Mylord. Mehr als auf der Burg.«
»Wo du dir redlich Mühe gegeben hast, dir jeden zum Feind zu machen, nicht wahr? Du behandelst die anderen Knappen von oben herab, als seien sie nicht gut genug für dich, und gibst dich stattdessen mit einem schwachsinnigen Bauernlümmel ab? Meinst du, du könntest mir das erklären?«
»Nein«, beschied Roland verdrossen. Und auf Julians warnenden Blick hin hob er ratlos die Hände. »Ich kann’s nicht erklären. Hier ist mein Platz. Auf dem Gestüt und unter einfachen Menschen. Nicht da oben bei Euch.«
Julian musste lächeln. »Mein Großvater – der dein Urgroßvater war – war genauso.«
»Ist das wirklich wahr?« Bange Hoffnung lag in dem Blick des Jungen.
Julian nickte und dachte einen Moment nach. Schließlich sagte er: »Wenn das dein Weg ist, werde ich dich nicht hindern, Roland.«
Die Augen leuchteten auf. »Das heißt, Ihr entlasst mich aus Eurem Dienst, und ich darf hier auf dem Gestüt …«
Julian schüttelte langsam den Kopf. »Oh nein. Das ist ausgeschlossen. Du bist ein Neville und ein Waringham. Wenn man noch ein bisschen genauer hinschaut, bist du sogar ein Lancaster.«
»Nur eine Bastardlinie«, schränkte der Junge hastig ein.
»Das ändert nichts an dem Blut, weißt du. König Henry ist dein Cousin ebenso wie der meine. Wenn ich dir vom tiefsten Grunde meines Herzens die Wahrheit sagen soll: Ich war auch nie versessen auf diese Verwandtschaft, aber wir können sie uns nicht aussuchen. Du bist, wer du bist, und die Verpflichtungen, die daraus erwachsen, kannst du nicht abschütteln. Glaub mir, ich hab’s versucht. Du kannst rennen und dich verkriechen, aber sie holen dich ein und finden dich. Aber das hast du ja selbst schon längst festgestellt, nicht wahr. Daher dein unversöhnlicher Groll gegen die Yorkisten.«
»Mein Groll hat allein mit dem Tod meines Vaters und Bruders zu tun«, widersprach Roland.
»Ah ja? Wie kommt es dann, dass du meine hinreißende Gemahlin so leidenschaftlich verabscheust? Sie war bestimmt nicht bei Towton, weißt du.«
»Ihr verabscheut sie doch selbst«, entgegnete Roland grantig.
»Mag sein, aber darum geht es nicht. Ich bin mir im Klaren über meine Loyalitäten und meine Motive. Du nicht. Also? Versuch, ehrlich zu sein. Es ist wichtig. Nicht für mich, sondern für dich.«
Roland kaute nachdenklich auf seiner Lippe. »Gottverflucht … Ihr habt Recht«, musste er nach einer Weile einräumen. »Irgendwie geht es doch noch um etwas anderes. Aber selbst wenn? Was hat das damit zu tun, was aus mir werden soll?«
»Eine Menge. Du bist der Erbe deines Vaters. Wenn du einundzwanzig bist, wirst du ein ziemlich wohlhabender Mann mit großem Landbesitz sein. Land bedeutet Einfluss und Verantwortung.Du musst lernen, diese Rolle auszufüllen. Das werde ich dir beibringen. Du kannst Vertrauen fassen und Langmut lernen wie Leander und dich mir beugen. Oder du bleibst, wie du bist, und ich brech dir das Kreuz. Das liegt allein bei dir. Aber so oder so werde ich dich lehren, was du können und wissen und sein musst. Das bedeutet indes nicht, dass du deine Freunde im Dorf aufgeben musst oder deine Kräfte nicht da einsetzen kannst, wo deine Neigungen liegen, nämlich hier im Gestüt.«
»Aber wie soll das gehen?«, fragte der Knappe skeptisch.
Julian dachte einen Moment nach. Dann kam ihm eine Idee. »Du kannst ab morgen das erste und zweite Training mitreiten. Du wirst früher aus den Federn kommen müssen, aber ich schätze, das macht dir nichts aus, oder?«
Roland schüttelte den Kopf. Ein Lächeln lauerte in seinen Mundwinkeln, unschlüssig, ob es sich wirklich zeigen sollte.
»Betrachte es als ein Privileg auf Widerruf. Wenn ich in Zukunft mit deinem Knappendienst zufrieden bin, werde ich dir vielleicht weitere einräumen. Wenn nicht, ziehe ich die Erlaubnis zurück. Klar?«
Rolands Lächeln verschwand, und die Augen verengten sich. »Das ist Erpressung!«
Julian hob die Schultern und sah zur Futterscheune hinüber. »Wenn du es so nennen willst, bitte. Das ist mir gleich. Sag ja oder nein.«
»Ja.« Es klang verdrossen, aber es kam ohne das geringste Zögern.
Hab ich dich, dachte Julian
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