Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Bessy gekommen und hat sie gebeten, das Kind wegzumachen.«
Julian hörte Kate an seiner Seite nach Luft schnappen. Er selbst war über diesen ungeheuerlichen Entschluss seiner Gemahlin weit weniger überrascht, aber er schockierte ihn dennoch. Er wandte sich an Bessy. »Daraus, dass ihr hier seid, darf ich wohl schließen, dass du dich geweigert hast?«
»Natürlich, Mylord«, gab sie entrüstet zurück.
Julian konnte sie nichts vormachen. Er wusste, alle Hebammen waren Engelmacherinnen. Er hatte zwar keine Ahnung, woher er das wusste, aber es war allgemein bekannt. Nur vordem Balg, das sie für den Erben des Hauses Waringham hielt, hatte Bessy dann doch lieber Halt gemacht, schätzte er. »Wann war das?«
»In aller Herrgottsfrühe. Es war noch dunkel. Vor dem Hahnenschrei.«
»Heute?«
»Ja, Mylord.«
Julian schaute zur Sonne. »Gleich Mittag. Was mag euch so lange aufgehalten haben?«
Adam legte seiner Frau einen Arm um die Schultern. »Es war keine leichte Entscheidung für Bessy. Hebammen sind normalerweise … wie Priester, versteht Ihr. Sie tragen nichts von dem weiter, was die Frauen ihnen anvertrauen. Ehrensache.«
»So, so.«
Adam runzelte ärgerlich die Stirn. »Nicht nur Edelleute haben Ehrgefühl, wisst Ihr.«
»Ja, ich weiß, Adam, aber es ist meine Frau, über die wir hier reden, und du bist mein Pächter, und wenn du schon nicht das Gefühl hast, mir Treue oder Verbundenheit zu schulden, dann aber doch ein Mindestmaß an Loyalität!«
»Ich schulde Euch mehr als das, und das ist der Grund, warum wir hier sind. Es hat eben ein Weilchen gedauert, Bessy zu überreden. Ihr dürft ihr das nicht übel nehmen, Mylord. Aber Lady Janet war …« Er brach abrupt ab.
Julian hob das Kinn. »Was?«
»Nichts, Mylord. Wir haben gesagt, wozu wir hergekommen sind. Wenn Ihr erlaubt, würden wir nun gern wieder nach Hause gehen.«
Er wollte sich abwenden, aber Julian nahm seinen Arm und hielt ihn zurück. »Sie war was? Verzweifelt, wolltest du das sagen?«
Adam nickte unwillig, ohne ihm in die Augen zu sehen.
Julian wusste genau, was er dachte: Was musste ein Mann einer Frau antun, dass sie lieber ihr Leben und ihre Seele aufs Spiel setzte, als sein Kind zu bekommen? Dieses verfluchte Miststück hatte ihn in eine unmögliche Lage gebracht. Er konnteöffentlich kundtun, dass es nicht sein Kind war, oder zulassen, dass die Leute in Waringham glaubten, er sei seinem teuflischen Cousin Robert doch ähnlicher, als man auf den ersten Blick meinte. Erst ruinierte ihr selbsternannter König sein Ansehen vor den Lancastrianern, jetzt ruinierte sie sein Ansehen vor seiner Ritterschaft, seinen Pächtern und seinem Gesinde.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte er hilflos.
Adam nickte wiederum und sah vielsagend auf die Hand, die seinen Arm gepackt hielt.
Julian ließ ihn los. »Danke, dass ihr gekommen seid.« Damit wandte er sich zum Pferdestall.
»Julian!« Kate folge ihm. Am Stalltor holte sie ihn ein. »Du kannst dich unmöglich allein auf die Suche machen. Sie kann schon Gott weiß wo sein.«
Er schüttelte den Kopf. Er wusste genau, wo Janet hinwollte. Eine feine Dame, mutterseelenallein unterwegs, konnte nicht einfach von Tür zu Tür gehen und fragen, wo die nächste Hebamme wohnte – weder in Canterbury noch in London. Das erregte Aufsehen, Argwohn und Gerede. Sie konnte nur nach Warwick. Der Weg war weit, aber sie hatte dort lange genug als Gouvernante gelebt, um zu wissen, welch eine erfahrene und heilkundige Frau unten in der Stadt wohnte. Es war der einzige Weg, der ihr offenstand.
»Zum Abendessen bin ich zurück«, stellte er in Aussicht. »Mitsamt meiner liebreizenden Gemahlin. Und dann kann sie was erleben …«
Kate wollte noch etwas sagen, aber er schüttelte sie ab, ging in den Stall und verlangte nach seinem Pferd. »Und zwar noch heute, wenn’s geht!«
Er ritt, als seien alle Dämonen der Hölle hinter ihm her. Dädalus schien froh, endlich einmal wieder zeigen zu dürfen, was er konnte, und auf der ersten Viertelmeile fürchtete Julian, der Gaul wolle ihm die Arme ausreißen.
In Rochester hielt er kurz an und fragte die Bauern, die sich anlässlich des hohen Feiertages auf dem Dorfanger zu einemausgelassenen Fest eingefunden hatten, ob sie Janet gesehen hatten. Ja, bestätigten sie, eine feine Lady ohne Begleitung auf einem Apfelschimmel war am Vormittag durch den Ort gekommen. Sie war nicht zur Burg hinaufgeritten, wie sie erwartet hätten, sondern weiter die Watling
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