Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
zufrieden. »Also dann«, sagte er, als sei die ganze Angelegenheit für ihn nur von mäßigem Interesse. »Ich mache mich auf die Suche nach Geoffrey.«
Das warme Wetter hielt an. Der Mai begann sonnig und trocken, und die Bauern fingen schon an, stirnrunzelnd zum Himmel aufzuschauen. Julian und sein Haushalt hingegen erfreuten sich des herrlichen Frühlings, und an Christi Himmelfahrt ging die erste Rose im Garten auf.
»Eine rote«, bemerkte Kate zufrieden, nahm die Blüte behutsam zwischen zwei Finger und schnupperte daran, ehe sie sich bei ihrem Bruder einhängte und an seiner Seite über den gepflegten Rasen schlenderte. »Gebe Gott, dass es ein gutes Omen für Lancaster ist.«
Julian nickte versonnen.
»Hast du irgendwelche Neuigkeiten gehört?«, fragte sie. Sie hatte die Stimme gesenkt. »Ich hab gestern einen fremden Ritter in die Burg reiten sehen.«
Julian schaute über die Schulter und ärgerte sich gleich darauf über sich selbst. Es war genauso gekommen, wie er vorhergesagt hatte: Man konnte in Waringham kein offenes Wort mehr reden, ohne zu befürchten, vom Feind belauscht zu werden. Janet war ein stilles Geschöpf und ließ sich außerhalb der Mahlzeiten kaum je blicken. Julian hatte keine Ahnung, womit sie ihre Tage verbrachte. Aber gerade weil sie so verhuscht und unsichtbar war, argwöhnte er immer, dass sie hinter irgendwelchen Türen oder Büschen stand und horchte. Jetzt schien die Luft indessen rein. »Exeter hat mir einen Boten geschickt, um mich über die Lage ins Bild zu setzen«, vertraute er seiner Schwester an.
»Treuer Exeter!«, murmelte Kate dankbar. »Er hat nicht an dir gezweifelt.«
»Wie es aussieht, haben er und Somerset Nachricht von Jasper Tudor erhalten und wissen daher, in welcher misslichen Lage wir stecken. Trotzdem hat der Bote sich nicht nehmen lassen, mich zu fragen, ob meine Verwundung mir noch sehr zu schaffen mache.«
»Deine Verwundung? Aber die liegt über ein Jahr zurück«, entgegnete sie verständnislos.
Julian nickte mit einem bitteren kleinen Lächeln. »Es ist die höfliche Art, einen Mann einen Feigling zu nennen.«
Sie zog erschrocken die Luft ein. »Das ist eine Frechheit! Wie können sie’s wagen …«
Julian befürchtete, dass die meisten Lancastrianer so dachten wie Exeters Bote, und der Gedanke quälte ihn. Mit einemhilflosen Achselzucken antwortete er: »Ich hab ihn gefordert, und er hat gekniffen. Ehe ich ihn mit einem Tritt zum Tor hinausbefördert habe, hat er mir noch erzählt, dass Marguerite wieder in Frankreich ist, um mit König Louis und dem Herzog von Burgund zu verhandeln. Sie hat ihren Sohn mitgenommen. Henry ist in Schottland.«
»Armer Henry.« Echtes Mitgefühl lag in Kates Stimme. Sie war praktisch zusammen mit dem König aufgewachsen, wusste Julian, und auch wenn Henry ihren Mann schäbig behandelt hatte, genoss er doch ihre unerschütterliche Loyalität, vor allem ihre Freundschaft.
»Warum kann er nicht ein einziges Mal ein Schwert in die Hand nehmen und selbst etwas tun, um seinen Thron zurückzubekommen?«, fragte Julian mit unzulänglich unterdrückter Heftigkeit.
»Weil das eben nicht seine Natur ist, Bruder.«
»Nein«, grollte er. »Und deswegen ist es weiß Gott kein Wunder, dass Edward jetzt auf seinem Thron sitzt. Wie du weißt, fällt es mir immer schwer, Mitgefühl für Henry aufzubringen.«
Kate nickte mit einem leisen Seufzen. »Und ich bin es müde, dich für diesen Mangel zu schelten.«
»Gott sei Dank.«
Sie lachten, setzten sich auf einer der steinernen Bänke in die Sonne, und Kate wechselte das Thema. »Julian, ich bin dir so dankbar für deine engelsgleiche Geduld mit Roland.«
»Engelsgleich?«, wiederholte er grinsend. »Also, ich glaube, das hat noch nie jemand zu mir gesagt.«
»Er ist wie ausgewechselt.«
»Weil ich etwas gefunden habe, womit ich sein Wohlverhalten erkaufen kann. Wir haben eine Art Handel geschlossen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du meinst seine Arbeit im Gestüt? Ich glaube nicht, dass es das allein ist. Was immer du zu ihm gesagt hast, hat ihn nachdenklich gemacht und … besänftigt. Er ist nicht mehr so zornig.«
»Nein, ich weiß.« Julian war selber überrascht, wie verändertder Junge war. »Ich gebe zu, ich stand kurz davor, ihn aufzugeben. Aber ich schuldete dir einen Sohn, Kate. Deswegen war ich so untypisch geduldig.«
Trauer verdunkelte ihre Augen, wie immer, wenn sie an Alexander dachte oder jemand ihn erwähnte. Doch sie erwiderte: »Ich habe dir
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