Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Blick ab und schüttelte den Kopf. Nach einer Weile vertraute sie der Weide zu ihrer Rechten an: »Ich war schon lange von dort weg. Mein Bruder hat mich kurz nach der Krönung im letzten Sommer an den Hof geholt, um mich gewinnträchtig zu verheiraten. Stattdessen …« Sie brach ab.
»Stattdessen hat der König, den Ihr so glühend bewundert, seinen begehrlichen Blick auf Euch gerichtet, ja?«
Ihr Kopf fuhr herum, die Augen weit aufgerissen. Julian wusste, dass er ins Schwarze getroffen hatte, und glaubte einen Moment, er werde an seinem Zorn ersticken.
»Woher … Wie kommt Ihr nur auf den Gedanken …« Stammelnd heuchelte sie Befremden. Eine schlechte Lügnerin, stellte Julian fest. Nicht gerade die geborene Spionin.
Er hob die Hand. »Das könnt Ihr Euch sparen. Es ist kein Geheimnis, dass er hinter jedem Rock her ist. Und mir wollte er seinen Bastard unterjubeln. Ein köstlicher kleiner Scherz, mit dem er die Lancastrianer noch einmal in den Staub treten kann. Ich bin sicher, er und Euer Bruder haben Tränen gelacht, als sie das ausgeheckt haben …«
»Wie scheinheilig Ihr seid«, sagte sie leise, und es klang zutiefst angewidert. »Ihr bedient Euch Eurer Mägde so wie er sich der Damen an seinem Hof. Es ist genau das Gleiche, nur auf einer anderen Ebene. Also erspart mir Eure moralische Entrüstung.«
Julian war einen Moment sprachlos. Jahrelang hatte Marguerite ihn gezwungen, ihr zu Willen zu sein. Sie hatte ihn in gleicher Weise zum Opfer königlicher Willkür gemacht wie Edward Janet. Und doch schor seine Gemahlin ihn nun mit ihrem König über einen Kamm. Das war so himmelschreiend ungerecht, dass er den kindischen Drang verspürte, mit den Fäusten auf den Boden zu trommeln. Stattdessen entgegnete er scheinbar gleichmütig: »Ihr seid mit einer blühenden Fantasie gesegnet.«
»Wie ich schon sagte: Ich habe Ohren.«
»Und dennoch gibt es Dinge, die Ihr nicht über mich wisst. Viel Unglück ist in Waringham geschehen, weil mancher meiner Vorfahren gar zu freizügig im Umgang mit seinen Mägden war. Es ist eine von vielen Familientraditionen, mit denen ich gebrochen habe.« Er ahnte, dass sie ihn und Anabelle in ihrer »Hochzeitsnacht« gehört hatte. Und Anabelle war auch nicht die Einzige. Ein Mann, der wie er mit einer spröden Frau geschlagenwar, musste schließlich sehen, wo er blieb, und so hatte er sich nicht gerade in seiner Kammer verbarrikadiert oder seine Tugend mit Waffengewalt verteidigt, als die junge, verwitwete Schwester der Köchin in Waringham begonnen hatte, ihm schöne Augen zu machen. Er war jung und kein Asket, also nahm er dankend alles, was ihm in den Schoß fiel. Aber nichts sonst. »Im Übrigen ist es ziemlich durchschaubar, aus welchem Grund Ihr mich in die Defensive drängen wollt, aber das ändert nichts an den Tatsachen, Madam: Ihr habt Euch von Eurem König schwängern lassen, und Ihr wart auf dem Weg zu einer Engelmacherin. Also erspart mir Eure moralische Entrüstung.« Er konnte sich ein kleines Siegerlächeln ob dieses rhetorischen Triumphes nicht versagen.
Janet sah aus, als wolle sie mit den Fäusten auf ihn losgehen. »Ich habe vier oder fünf Mal nachts vor Eurer Tür gestanden. In Euer Bett zu kommen schien mir in meiner hoffnungslosen Lage der einzige Ausweg. Aber jetzt bin ich froh, dass ich es nicht getan habe.«
Er nickte knapp. »Ja, alles in allem bin ich das auch.«
Er war sich bewusst, dass er log. Dass er es sagte, um sie ebenso zu kränken, wie sie ihn mit ihren Worten gekränkt hatte. In Wahrheit fand er sie anziehend. Er konnte sie nicht ausstehen, und er konnte ihr nicht trauen, aber er hätte sie nicht hinausgeworfen, wenn sie gekommen wäre. »Im Übrigen bin ich auch durchaus in der Lage, bis neun zu zählen. Darum habe ich Zweifel, dass ihr mir hättet vormachen können, es sei mein Kind.«
»Wer weiß«, gab sie achselzuckend zurück. »Es passiert so oft, dass Kinder zu früh kommen. Wäre ich in der Lage gewesen, Euch genügend Sand in die Augen zu streuen, hättet Ihr es vermutlich geglaubt, denn Ihr seid eitel.«
»Oh, wärmsten Dank auch.«
»Aber jetzt spielt es ja keine Rolle mehr, nicht wahr?«
»Da habt Ihr verdammt Recht.«
Sie sahen sich an, betrachteten einander ohne die geringste Sympathie. Janet wirkte blass, erschöpft und mutlos. Und Julianspürte eine Art unpersönliches Mitgefühl für die Notlage dieser Fremden, wie er es jeder Frau in der gleichen Situation entgegengebracht hätte. Eben noch hatte er sich gesagt,
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