Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
nach Rom schicken mit der Bitte, unsere Ehe zu annullieren. Das wird nicht weiter schwierig sein, denn ich könnte ja jeden heiligen Eid schwören, dass sie nicht vollzogen wurde, nicht wahr? Und das würde ich tun. Reinen Gewissens. Ich würde Euch öffentlich als Ehebrecherin brandmarken, ist das klar?«
Die fahle Blässe verriet, dass sie seine Drohung nicht auf die leichte Schulter nahm. Sie nickte.
»Natürlich könntet Ihr in Versuchung geraten, ein doppeltes Spiel zu treiben und Euren Bruder hinter meinem Rücken und in aller Diskretion doch irgendwie wissen zu lassen, dass ich mich dem lancastrianischen Widerstand angeschlossen habe. Ihr werdet vielleicht denken, es sei ein akzeptables Risiko, weil ich ja nicht hier sein werde. Weil ich möglicherweise verhaftet und hingerichtet werde, bevor ich meine Drohung wahr machen kann. Aber seid gewarnt: Wenn Henry Tudor, dem kleinen Earl of Richmond, durch Eure Schuld ein Leid geschieht … Wenn die Yorkisten auch nur ein Haar auf seinem Haupt krümmen,dann werde ich Euch töten, Janet. Und wenn ich keine Gelegenheit mehr dazu bekomme, wird Jasper Tudor es tun. So oder so, Ihr kämet nicht davon. Habt Ihr mich verstanden?«
Sie starrte ihn wie gebannt an. Dann schlug sie den Blick nieder und senkte den Kopf. »Ja, Mylord. Ich habe Euch verstanden.«
Es war eine bedingungslose Kapitulation. Oder zumindest war es das, was er glauben sollte.
Pembroke, Juni 1462
Blanche streute
Futter auf die Erde, die bei trockenem Wetter hart wie Stein gebacken und bei Regen eine Schlammsuhle wurde. So auch heute. Dennoch liefen die Hühner unverdrossen umher, gackerten aufgeregt und pickten die Körner auf, ehe der Morast sie verschluckte, und Owen rannte auf speckigen, noch nicht ganz sicheren Beinen zwischen den Hühnern auf und ab und scheuchte sie auseinander, was sie mit noch aufgeregterem Gegacker kommentierten.
Blanche nahm ihren Sohn bei der Hand und betrachtete ihn mit einem halb unterdrückten Seufzen. »Ich glaube, dich stecken wir heute Abend einfach in die Pferdetränke, ehe wir dich schlafen legen, was meinst du?«
Er sah zu ihr hoch und lachte. Es war ein wunderschönes Lachen, und seine Augen, die so dunkel geworden waren wie die seines Vaters, strahlten von purem Frohsinn. Blanche spürte jedes Mal, wie ihre Brust sich vor Liebe zusammenzog, wenn er sie so anhimmelte. Sie hob ihn hoch, küsste die nicht ganz saubere Wange und sog seinen Duft ein. Aber wie üblich fing Owen sofort an zu strampeln, denn er schätzte es nicht, wenn er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurde. Also setzte sie ihn ab. Er suchte die Hühner aufs Neue heim, aber sie ließ ihn gewähren. Und als eine ungewöhnlich beherzte Henne den Schnabel in die rundliche Kinderhand schlug undder kleine Junge anfing zu heulen, ging sie auch nicht hin, um ihn zu trösten. Jeder Mensch musste für seine Taten geradestehen. Blanche fand, das war etwas, was man gar nicht früh genug lernen konnte.
Sie ging ins Haus und überließ Owen seinem Spiel im Hof. Dort war nichts, das ihm gefährlich werden konnte, und das Tor war verschlossen.
Sie lebten seit einem Monat auf diesem armseligen kleinen Gehöft, das zwei Meilen außerhalb von Pembroke am Rand eines Waldes lag. Der Bauer war ein junger Kerl, der sich Jasper mit Feuereifer angeschlossen und sich von Stund an nicht mehr um seine Landwirtschaft geschert hatte. Was in ein paar Wochen werden sollte, wenn einem Bailiff der gräflichen Verwaltung auffiel, dass sich hier niemand um die Ernte kümmerte, ahnte sie nicht. Aber solche Fragen beunruhigten sie auch nicht. Gott allein wusste, wo sie alle in ein paar Wochen sein würden. Blanche hatte gelernt, auf ihn zu vertrauen und auf Überraschungen gefasst zu sein.
»Nun, Meilyr, wie steht es?«, fragte sie.
In der Küche saß ein Mann am Tisch, den linken Unterarm in eine Schüssel mit dampfendem Kamillesud getaucht. Schweiß stand auf seiner Stirn und rann wie Tränen über sein Gesicht, aber er lächelte. »Viel besser, Mylady.«
Sie setzte sich ihm gegenüber, breitete ein reines Leintuch auf dem Tisch aus und forderte ihn auf: »Dann lass mal sehen.«
Er hob den Arm aus dem Kamillebad und legte ihn auf das Tuch. Die Hand fehlte, und der Stumpf hatte sich böse entzündet. Es war ein abscheulicher, genau genommen ein ekliger Anblick. Aber er machte ihr nichts aus. Blanche hatte zu ihrem Erstaunen festgestellt, dass sie eine bescheidene heilerische Begabung besaß.
Sie sah dem Mann in
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