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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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die Brustwehr gestiegen und blickte auf dieses fremde Land hinab. Die Burg von Chinon stand auf einem schroffen Hang über der Vienne, an deren Ufer sich das Dorf schmiegte. Lastkähne zogen träge flussabwärts. Die Bauern kamen von ihren Feldern und Weinbergen zurück, und über allem lag eine gefällige Beschaulichkeit. Vielleicht war es das Licht, das diesen Eindruck erweckte. Es war weicher als zu Hause. Und die Luft roch ganz anders. Ob es daher kam, dass man hier so weit vom Meer entfernt war wie an keinem Fleck auf englischem Boden?
    Er wusste es nicht. Aber die Fremdartigkeit dieser Landschaft faszinierte ihn. Er hatte bislang nie viel über die Welt außerhalb Englands nachgedacht. Jetzt erschien sie ihm mit einem Mal riesig, erstreckte sich zu seinen Füßen, verlockend und voll ungeahnter Verheißungen.
    »Noch vor zwanzig Jahren war dieses Land eine Ödnis«, sagte Marguerites Stimme plötzlich neben ihm. »Niemand, der die Felder bestellte. Die Dörfer verlassen und niedergebrannt. Das Loiretal gehörte zu den am heftigsten umkämpften Gebieten. Und was die Engländer nicht raubten und zerstörten, nahmen die Truppen des Dauphin. Es war … trostlos. Als Kind bin ich einmal mit meiner Mutter hier entlanggereist, und ich weiß noch, dass ich sie gefragt habe, ob hier der Teufel wohnt.« Sie lächelte schwach bei der Erinnerung an ihre kindlichen Vorstellungen. »Und jetzt schau es dir an.«
    Mit einem Blick nach links und rechts vergewisserte er sich, dass sie allein waren, ehe er fragte: »So vertraulich? Was soll das werden, Majesté?«
    Sie winkte ab. »Nichts. Ich glaube, du hast mir gefehlt. Ichwollte einfach ein paar nostalgische Gedanken mit dir teilen.«
    »Geh in dich. Das kann nicht sein. Dergleichen hast du nie getan.«
    Sie seufzte. »Ach, Julian. Wenn du wüsstest. Es war … ein bitteres Jahr.«
    Das war es wohl für uns alle, dachte er, sagte jedoch lediglich: »Das hat den Prinzen nicht gehindert, sich prächtig zu entwickeln.«
    »Nicht wahr? Er wird einmal ein guter König.«
    »So Gott will.«
    »So Gott will und wir genug Entschlossenheit aufbringen.«
    »Ich werde mich nicht vor dir rechtfertigen. Ich war …«
    »Ich weiß«, sie winkte ab, legte ihm einen Moment die Hand auf den Arm und ließ sie sinken, als sie merkte, wie er sich unter der Berührung versteifte. »Ich weiß, Julian.« Ihr Blick glitt wieder über das schmucke Dorf am Fluss und das reife Korn auf den Feldern, das sich in der sachten Brise wiegte. »Ich wünsche nur manchmal mit solcher Inbrunst, die Dinge wären anders. Wäre mein Gemahl ein anderer Mann, hätte er Frankreich den Frieden unter seiner Herrschaft zurückbringen können. Er hatte die französische Krone doch schon auf dem Haupt. Er hätte sie nur festhalten müssen, und nichts von alldem, was uns heute den Schlaf raubt, wäre geschehen. Aber er hat sich alles wegnehmen lassen. Erst Frankreich. Dann England. Mit einem duldsamen Lächeln. Ich habe oft erwogen, ihn zu vergiften, weißt du.«
    »Nein. Das wusste ich nicht. Es überrascht mich zwar nicht sonderlich, da ich euch beide kenne, aber ich wünschte, du würdest mir solche Dinge nicht sagen. Ich will das nicht wissen.«
    Sie wandte den Kopf und lächelte. »So kühl. So distanziert. Hast du deiner kleinen yorkistischen Hure Treue geschworen, Julian?«
    Er zog eine Braue in die Höhe. »Wollen wir uns wirklich auf so ein schlammiges Niveau herabbegeben?«
    Sie schnalzte mit der Zunge. »Sei doch nicht so zimperlich. Ich wüsste es einfach gern.«
    Er rang noch einen Moment mit sich. Dann sah er sie an und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kenne sie überhaupt nicht. Wir begegnen uns selten. Aber sie ist meine Frau, und es beleidigt mich, wenn du sie eine Hure nennst. Denn das ist sie nicht. Sie ist ebenso ein Opfer in dieser monströsen Schachpartie um Englands Krone wie du und ich, nur kann sie sich viel schlechter wehren.«
    Die Königin schaute ihn an und schmunzelte, wechselte dann aber das Thema. Sie ruckte das Kinn zum Bergfried hinüber. »Verursacht dir der Name dieses Ortes keine Gänsehaut?«
    »Was?«, fragte Julian verdutzt. »Wieso?«
    »Weil der schlimmste Feind deines Vaters hier geboren wurde. Victor de Chinon?«
    »Nie gehört«, gab Julian kurz angebunden zurück. Alte Geschichten interessierten ihn nicht. Außerdem redete er nicht gern über seinen Vater. Mit Marguerite erst recht nicht.
    »Ist das wirklich wahr?«, fragte sie erstaunt. »Als ich als junges Mädchen nach

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